Der Wald und der Waidler

Shownotes

„Der Wald und der Waidler“ steht als Titel über der 12. Folge des Podcasts Wildnis G’schichtn. Begleitet von Max Greiner, dem Vorsitzenden des Vereins Pro Nationalpark Freyung-Grafenau, und Gerhard Ruhland, Kreisheimatpfleger im Landkreis Freyung-Grafenau, wandern wir dieses Mal vom Oberen Reschbachtal zur Reschbachklause, unterhalb des Siebensteinkopfes. Podcasterin Julia Reihofer entdeckt mit ihren Begleitern unterwegs zahlreiche menschliche Spuren mitten in der Nationalparkwildnis, etwa alte Gleisreste der ehemaligen Waldbahn oder ehemalige Triftanlagen. Diese stummen Zeitzeugen lassen erahnen, wie intensiv die heute naturbelassenden Nationalparkwälder einst genutzt wurden und wie eng die Beziehung der Menschen früher zu ihrem Wald gewesen sein muss.

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00:00:00: WILDNIS G’SCHICHTN: Der Wald und der Waidler.

00:00:06: Mit der Julia – Ich sag mal wieder: Servus und willkommen zu den tollsten Geschichten

00:00:12: aus und um den Nationalpark Bayerischer Wald und geschichtsträchtig wird es bei unserer

00:00:18: heutigen Tour auf jeden Fall.

00:00:20: Ich blick mit euch zurück 25 Jahre Verein PRO Nationalpark, und noch einige Jahre mehr

00:00:28: auf dem Buckel hat die Forstwirtschaft und damit auch die Geschichte der Holztrift im

00:00:33: Bayerischen Wald.

00:00:35: Ihr seht schon, wir haben viel vor und vor Allem auch eine herrliche Wandertour vor uns:

00:00:42: Vom Reschbachtal geht’s dieses Mal hinauf zum Siebensteinkopf.

00:00:47: Für die erste Etappe bis zur Alten Klause, hab ich mir Max Greiner eingeladen, er ist

00:00:52: der Vorstand des Vereins PRO Nationalpark: So, dann schauen wir noch ganz kurz auf die

00:00:58: Wandertafel, bevor es losgeht, Max.

00:01:00: Jetzt sind wir am Parkplatz Oberes Reschbachtal und gehen erstmal noch ein Stück den Hauptwanderweg

00:01:07: entlang und…

00:01:08: Wir gehen dann zum Waldbahnende hinten, seh ich das richtig?

00:01:11: Bis zur Schwarzbachbrücke und dann biegen wir rechts ab Richtung.

00:01:14: Rechts rein, ja.

00:01:15: Da kommen wir zum Waldbahnende, glaub ich heißt das.

00:01:17: Da ist noch ein Stück Gleis drin, von der alten Waldbahn.

00:01:20: Und dann werden wir wahrscheinlich den Reschbach entlang gehen, bis zur Alten Klause, oder?

00:01:24: Ja genau, so hätten wir es geplant.

00:01:27: Wir haben schon gesagt, wir schauen uns das Ende der Waldbahn an.

00:01:31: Aber der Hauptwanderweg durch das Reschbachtal ist auch verdächtig eben.

00:01:36: Ja, ja, genau.

00:01:37: Da sind wir jetzt aber eh drauf da.

00:01:40: Und gehen quasi schon auf der historischen, ja alten Waldbahnstrecke.

00:01:45: Genau.

00:01:46: Ist wahrscheinlich auch errichtet worden, damals im Rahmen der intensiven Holzwirtschaft?

00:01:50: Genau.

00:01:51: Da ist Holz nach Spiegelau transportiert worden.

00:01:54: Das war eine Schmalspurbahn und in Spiegelau ist es dann verladen worden auf größere

00:01:59: Züge.

00:02:00: Und da sind ja etliche tausend Kubikmeter transportiert worden da drauf.

00:02:04: Und zwar tatsächlich noch ziemlich lange.

00:02:07: Bis in die 1960er Jahre.

00:02:10: Erst dann lösten LKWs langsam die Holztransporte per Zug oder per Trift ab.

00:02:16: Später hören wir noch viel mehr über beides.

00:02:19: Zunächst schauen wir uns an, wo wir heute unterwegs sind, nämlich im Oberen Reschbachtal,

00:02:24: das kennt ihr auch schon aus Folge 11.

00:02:26: Ein spannendes Gebiet, von dem aus es sich nicht nur zum Siebensteinkopf wandern lässt.

00:02:32: Am Parkplatz Schwarzbach, das ist auch so ein typischer Ausgangspunkt.

00:02:36: Also wir hätten jetzt theoretisch auch da parken können.

00:02:38: Und von hier aus kann man ja gleich mehrere wirklich geniale Touren gehen, zum Beispiel

00:02:45: auch auf den Lusen, gell?

00:02:46: Ja, das ist super.

00:02:47: Also mir ist das der liebste Weg, der Finsterauer Lusensteig.

00:02:51: Er ist zwar nicht ganz einfach.

00:02:53: Ich sag immer, der Berg wird jedes Jahr ein bisschen höher.

00:02:56: (lachen) Je älter man wird, umso härter geht man

00:03:00: sich, das ist dann die Soldanelle.

00:03:02: Genau, der geht zum Lusen und dann gehen wir rüber auf den Tummelplatz und dann dort wieder

00:03:08: zurück ins Obere Reschbachtal, über den Brunndobelweg, sag ich immer.

00:03:11: Das ist schon eine geniale Tour, die mag ich auch immer sehr gern.

00:03:13: Die ist super.

00:03:14: Eine richtig coole Tagestour.

00:03:16: Also da ist man ungefähr, mei, sag ich mal, reine Gehzeit vier Stunden, viereinhalb Stunden.

00:03:20: Auf dem Lusen oben hält man sich ein wenig auf.

00:03:23: So fünf, sechs Stunden ist man da unterwegs.

00:03:25: Und wir queren jetzt quasi, ist das dann der Schwarzbach?

00:03:29: Ja, genau der Schwarzbach und ui, da ist es rutschig und gehen jetzt geradeaus weiter,

00:03:34: den Hauptwanderweg.

00:03:35: Im Winter ist es eine Langlaufloipe.

00:03:37: Ja, teilweise.

00:03:38: Und nach wenigen Minuten entlang der Strecke, nähern wir uns langsam dem von Max angesprochenen

00:03:44: Ende der ehemaligen Waldbahnstrecke.

00:03:46: Aha, da läuft gerade eine Baumaßnahme.

00:03:48: Wir kommen…

00:03:49: Dass man das wirklich, wirklich wieder erkennen kann, was das einmal gewesen ist.

00:03:54: Vielleicht bleiben wir mal kurz stehen.

00:03:57: Da sehen wir tatsächlich das von dir angesprochene Waldbahnende.

00:04:01: Haha, tatsächlich.

00:04:02: Da heben sie gerade diese alten Gleise rum.

00:04:05: Ja, die werden sie rausheben und ein neues Gleisbett machen, damit es ein wenig besser

00:04:10: erkennbar ist.

00:04:11: Da vorne ist dann eine Infotafel, die heißt auch Waldbahnende.

00:04:14: Und diese Waldbahn ist bis Anfang der 1960er Jahre, also bis 1960 ungefähr, ist die aktiv

00:04:22: gewesen.

00:04:23: Weil früher hat man die Holztrift gehabt auf dem Wasser und dann haben sie mal die

00:04:27: Waldbahn gebaut, zur Erschließung, dass man das Holz rausbringt.

00:04:28: Und dann sind natürlich die Straßen gebaut worden und irgendwann hat der LKW dann die

00:04:32: Oberhand gewonnen.

00:04:33: Genau.

00:04:34: Und das wird, ich finde auch das gut, dass das erhalten wird und dass man diese Kulturdenkmäler

00:04:40: ein bisschen, auch im Nationalpark, erhält.

00:04:43: Das gehört dazu.

00:04:44: Genau, und da gehen wir jetzt gerade vorbei.

00:04:47: Und damit die dynamische Natur des Nationalparks dieses Kulturdenkmal nicht verschwinden lässt,

00:04:53: wurden die alten Schmalspurbahngleise von unseren Mitarbeiten wieder etwas mehr in Szene

00:04:58: gesetzt.

00:04:59: Max und ich haben aber jetzt anders vor.

00:05:02: Wir folgen weiter dem Reschbach hinauf zur Alten Klause.

00:05:05: Ist das schön hier, Max.

00:05:07: Der Reschbach, der da jetzt grade so leise neben uns dahinplätschert.

00:05:12: Wobei ihm da ein Haufen Wasser fehlt, weil wir haben da das E-Werk, das wird da oben

00:05:18: abgeleitet das Wasser und kommt dann da weiter unten erst wieder dazu.

00:05:21: Ah.

00:05:22: Also ist er da ein wenig wasserarm da momentan.

00:05:25: Aber trotzdem wunderschön.

00:05:26: Ja, total.

00:05:27: Ja, Max.

00:05:28: Dann lass uns ein wenig reden.

00:05:29: Man hat beim Einstieg glaub ich schon gehört, dass du sehr, sehr viel über den Nationalpark

00:05:36: weißt, dich sehr, sehr viel mit der Region und ihrer Geschichte beschäftigst.

00:05:41: Musst du ja auch fast, als Vorsitzender vom Verein PRO Nationalpark.

00:05:48: Vielleicht mal zum Einstieg, erklär mal was PRO Nationalpark ist.

00:05:55: PRO Nationalpark ist im Prinzip ein Stützerverein des Nationalparks, als solcher gegründet

00:06:01: worden 1998.

00:06:03: Wir haben da heftige Diskussionen gehabt, die Nationalparkerweiterung im Zwieseler Winkel

00:06:09: und es hat sehr, sehr hitzige Diskussionen gegeben zu dem Zeitpunkt und die Angst die

00:06:16: einige einfach gehabt haben war wirklich, dass der Nationalpark als solcher fällt.

00:06:20: Und da haben wir gesagt: Das kann nicht sein.

00:06:22: Da müssen wir dagegen steuern.

00:06:24: Warst du eigentlich von Anfang an mit dabei?

00:06:27: Ich bin Gründungsmitglied, meine Frau auch.

00:06:28: War aber dann jahrelang eher ein passives Mitglied, berufsbedingt auch.

00:06:32: Gründervater war der Dr. Max Köck aus Mauth, der leider schon verstorben ist.

00:06:38: Und der Sigfried Grünzinger aus Finsterau, Haselberger Helmuth, das sind so die Aktivposten

00:06:43: gewesen in den Anfangsjahren.

00:06:44: Die Situation damals war eine Schwierige.

00:06:46: Wir haben es ja im Rahmen dieser Podcastserie auch mal thematisiert, in Folge 2, ist es

00:06:54: ja auch viel um die erste Nationalparkerweiterung 1997 gegangen, auch um die Widerstände die

00:07:00: es damals gegeben hat.

00:07:02: Genau, wobei ich nach wie vor der Meinung bin, dass ein Großteil der Bevölkerung eher

00:07:06: gleichgültig der Sache gegenübergestanden ist oder Befürworter gewesen sind.

00:07:10: Vor Allem die Leute aus dem Tourismus aber wir haben da eine sehr, sehr laute Gegnerschaft

00:07:16: gehabt, die wirklich massiv Druck gemacht haben.

00:07:19: Aber das Vertrauen in die Natur ist einfach da gewesen und der Mensch muss einfach mal

00:07:23: in der Lage sein los zu lassen und zu schauen, was bringt uns die Natur von sich selber.

00:07:28: Das war ein wenig der philosophische Hintergrund.

00:07:31: Und natürlich haben wir den Nationalpark auch, also ich persönlich schon immer als

00:07:37: Wirtschaftsfaktor auch gesehen.

00:07:38: Ja, allein schon der ganze Tourismus.

00:07:40: Alleinstellungsmerkmal schlechthin.

00:07:41: Es hat vor Gründung des Nationalparks eigentlich in dem Bereich herunten keinen Tourismus gegeben.

00:07:45: Und jetzt sind da halt zwei Streitpunkte zusammengekommen.

00:07:48: Es hat sich ja dann zum gleichen Zeitpunkt, oder ein Jahr vorher, die Gruppe PRO Nationalpark

00:07:53: Zwiesel gegründet, die einfach diesen Nationalpark auch wollten und ein Jahr später haben wir

00:08:00: uns dann entschlossen einen Verein zu gründen.

00:08:04: 1998 ist der Verein Pro Nationalpark mit gut 30 Mitglieder gestartet worden und heute,

00:08:11: 25 Jahre später, sind es rund 450.

00:08:14: Eine große Erfolgsgeschichte, die Max Greiner als Vereinsvorsitzender seit 2009 kräftig

00:08:21: mitgestaltet und auch aus dem Alltag im Schutzgebiet nicht mehr wegzudenken ist.

00:08:29: Der Verein ist hauptverantwortlich für den Nationalpark-Führungsservice und führt gemeinsam

00:08:35: mit zahlreichen Waldführern im Jahr bis zu 25.000 Besucher durch den Nationalpark:

00:08:40: Das ist auch heute der Schwerpunkt der Arbeit.

00:08:43: Wir haben ja begonnen mit Vorträgen und ja, Diskussionen.

00:08:47: Aber letztendlich hat man erkannt, wenn du mit den Leuten nicht vor Ort bist und wirklich

00:08:52: dort am Punkt wo es eigentlich passiert, dann kommt wenig rüber.

00:08:58: Und so hat sich eigentlich das ganze Führungsprogramm entwickelt.

00:09:00: Zunächst wollten wir den Einheimischen mal zeigen, Naturverjüngung, was entwickelt sich.

00:09:06: Es sind ja Gerüchte, die Erzählungen rumgegangen: Da oben, in den Hochlagen, da wächst nie

00:09:11: wieder etwas.

00:09:12: Und wenn ich wandern gegangen bin, hab ich mir immer wieder gedacht, hm… an der Erzählung

00:09:17: stimmt irgendwas nicht.

00:09:19: Weil man relativ frühzeitig erkannt hat, dass da eigentlich schon wieder was drinsteht.

00:09:22: Mal sind es nur ganz kleine Pflänzchen gewesen, mal war ein bisschen was größeres da.

00:09:27: Mal hat man Veränderungen gesehen, dass vielleicht eine Buche kommt wo vorher eher eine Fichte

00:09:32: gestanden ist.

00:09:33: Und es sind viele, die sind oben auf der Straße gefahren und haben gesagt, ja da drüben,

00:09:37: da wird alles kaputt, aus der Ferne betrachtet.

00:09:40: Aber man muss sich etwas halt auch mal genauer anschauen oder wie heißt es immer so schön:

00:09:45: Der Mensch schützt nur das was er kennt.

00:09:48: Und im Endeffekt habt ihr genau da angesetzt.

00:09:50: Das was eigentlich der Punkt, dass wir gesagt haben, wir müssen den Leuten zeigen was vor

00:09:54: Ort passiert, wir wollen auch gar nicht verschweigen.

00:09:56: Du, ich hab das auch nicht so toll gefunden wenn auf einmal hektarweise die Nadeln runter

00:10:01: gerieselt sind und hab Bedenken gehabt.

00:10:03: Aber wenn man sich das angesehen hat, hat man relativ schnell erkannt wo die Reise hingeht.

00:10:08: Dass as mit Nichten so wird, dass da nichts mehr wächst.

00:10:11: Und es haben sich so tolle Dinge ergeben, auf einmal neue Ausblicke die man vorher gar

00:10:16: nicht gekannt hat.

00:10:17: Der Siebensteinkopf ist ein gutes Beispiel, weil wer ist früher auf den Siebensteinkopf

00:10:23: gegangen?

00:10:24: Ein paar Insider, ganz wenige.

00:10:25: Mittlerweile ist er ein Anlaufpunkt für sehr viele Leute, weil er einen wunderbaren Ausblick

00:10:31: genießt und auch die ganze Verjüngung, die man da hinauf sehen kann, wirklich fantastisch.

00:10:35: Ich sag ja, wenn wir noch 10 Jahre, 15 Jahre, vielleicht 20 Jahre warten, dann ist es mit

00:10:41: dem Ausblick nicht mehr so großartig, gell.

00:10:43: Ist ja jetzt schon so, dass man stellenweise wirklich gar nichts mehr sieht.

00:10:46: Genau, aber das ist diese stetige Veränderung, die wir da im Nationalpark haben.

00:10:50: Und die auch auf dem Weg hinauf zur Alten Klause wunderbar zu beobachten ist, denn auch

00:10:56: entlang des Reschbachs haben sich diese ehemaligen Borkenkäferflächen inzwischen zu einem heterogenen

00:11:01: Jungwald entwickelt, der sonst in ganz Deutschland kaum so zu finden ist.

00:11:06: Ah, genial!

00:11:07: Jetzt kommen wir grade vorbei, wir haben gerade ein wenig über das Thema Totholz geredet

00:11:10: und jetzt sehen wir grade ein wunderbares Paradebeispiel, Max, einer abgestorbenen,

00:11:15: umgefallenen Fichte, die ist drüber geflogen über den Reschbach.

00:11:18: Keine Ahnung wie lange die schon liegt.

00:11:21: Ja, ja.

00:11:22: Die liegt schon geraume Zeit da, 10, 15 Jahre denke ich jetzt schon, ja.

00:11:25: Vielleicht auch 20 Jahre.

00:11:27: Ja, wenn man den Nationalpark herzeigen will, ist das einfach eine ganz tolle Strecke da

00:11:31: rauf.

00:11:32: Vor Allem auch die ganze Verjüngung, wir haben vorhin auch schon mal kurz drüber geredet,

00:11:35: die sieht man da schon sehr beeindruckend, gell.

00:11:38: Es ist unwahrscheinlich viel da und auch das Totholz das man einfach sehr, sehr notwendig

00:11:44: braucht.

00:11:45: Pure Nationalparkwildnis begleitet uns die wenigen Kilometer entlang des Reschbachs hinauf

00:11:49: zur Alten Klause.

00:11:51: Nach gut einer Stunde Gehzeit sind wir inzwischen dort angekommen:

00:11:54: Jetzt sind wir tatsächlich schon an der Alten Klause, die so heißt, weil man nichts mehr

00:12:00: von der Klause sieht (lacht) heutzutage.

00:12:01: Die ist auch schon sehr lange weg, weil ich kann mich nicht daran erinnern, dass da jemals

00:12:06: Wasser drin gewesen ist.

00:12:07: Genauso drüben an der Schwarzbachklause, also die kenne ich nur so wie sie ist.

00:12:12: Quasi völlig aufgelassen.

00:12:14: Das muss so in den 50er, 60er Jahre gewesen sein, weil sonst wüsste ich es, wenn es später

00:12:19: gewesen wäre.

00:12:20: Aber trotzdem, ein schöner Ort da herhinten, der auch mal wieder so ein Denkmal ist, für

00:12:24: die ehemalige Holzwirtschaft.

00:12:27: Genau.

00:12:28: Und auch das ist ein großes Anliegen des Vereins PRO Nationalpark, dass solche stillen

00:12:33: Zeitzeugen, solche Kulturdenkmäler erhalten bleiben und ihre bewegte Geschichte nicht

00:12:38: in Vergessenheit gerät: Das ist ein wichtiges Thema.

00:12:42: Haben wir gelernt eigentlich aus den Führungen raus, wenn du mit Gästen unterwegs bist,

00:12:47: die interessiert jetzt nicht nur die Natur und der Baum, weil die fragen mich dann: Warum

00:12:51: ist denn das da so?

00:12:52: Warum heißt das Alte Klause oder warum ist da droben eine Reschbachklause?

00:12:56: Oder warum ist das so eine schnurgerade Strecke da rüber, wo wir vorhin gegangen sind?

00:13:00: Und dann kommst du irgendwann auf so Themen wie die Holztrift.

00:13:04: Das ist ein Thema, das war ein Thema.

00:13:07: Waldbahn.

00:13:08: Und mit der Holztrift, ich weiß das noch aus Erzählungen von meinem Papa, weil der

00:13:11: hat das selber noch mitgemacht, ist klar.

00:13:13: Genau, der ist noch triften gegangen.

00:13:15: Der ist noch Holzziehen gegangen, im Winter, mit dem Zugschlitten.

00:13:17: Viele, also ich weiß es aus der Ortschaft Annathal, wo ich herkomme, da sind noch unwahrscheinlich

00:13:21: viele Männer zum Holzhauen gegangen, die sind in den Wald gegangen.

00:13:25: Und die haben, wie soll ich sagen, fast das ganze Jahr Arbeit gehabt.

00:13:29: Weil im Frühjahr, Sommer haben sie das Holz geschlagen, im Winter haben sie es dann mit

00:13:34: dem Zugschlitten zu den Bächen gebracht und dann haben sie es geschwemmt.

00:13:39: Ein Knochenjob aber eine ganzjährige Beschäftigung, kann man sagen.

00:13:42: Und nebenbei noch eine Landwirtschaft betrieben, weil man die auch noch gebraucht hat zum Überleben.

00:13:45: Jetzt haben diese Leute natürlich eine ganz andere Beziehung gehabt zum Wald wie wir das

00:13:51: heute haben.

00:13:52: Heute wird der Wald ja eher gesehen als, naja, Aufenthaltsort als Erholungsort.

00:13:54: Hat er auch seine Funktion und ist auch ganz wichtig, aber so haben die Altvorderen das

00:14:01: nicht gesehen.

00:14:02: Die haben sich ihr Brot daraus geholt.

00:14:04: Denen hat der Wald das Überleben gesichert, muss man sagen.

00:14:07: Oder?

00:14:08: Mhm. Spannend.

00:14:09: Aber da hat sich dann auch immer dieses bestimmte Spannungsfeld ergeben wenn ich gesagt hab:

00:14:15: Lasst doch den Wald mal, das Stückerl Nationalpark, lasst Wald Wald sein und lasst diesen Käfer

00:14:20: in Ruhe.

00:14:21: Ja das…

00:14:22: (lacht) Der Borkenkäfer war der Todfeind für die.

00:14:25: Aber man muss einfach der Natur mal ein Stück Raum geben, da wo sie sich selbst entfalten

00:14:29: kann und das haben wir da im Nationalpark, Gott sei Dank.

00:14:32: Also ich würde die jetzt unbedingt alle verdammen die das ein wenig anders sehen also das Bild

00:14:35: ist halt ein anderes.

00:14:37: Und so versuchen wir auch immer zu vermitteln, nicht belehren und muss man auch irgendwo

00:14:42: Verständnis haben, warum eine bestimmte Kritik dann da ist.

00:14:45: Oder manche Leute auch nicht verstehen warum man bestimmte Massen oder Mengen an Holz einfach

00:14:50: verrotten lässt.

00:14:51: Aber ich hab’s ja vorhin schon gesagt ob der Wert des Nationalparks nicht mehr wert

00:14:57: ist wie der Wertstoff den wir rausholen, das ist eine Sache bei der ich mir nicht ganz

00:15:01: sicher bin.

00:15:02: Ich glaub eher der Nationalpark ist mehr wert, auch wirtschaftlich gesehen.

00:15:05: Gäbe es den Nationalpark nicht, würde es möglicherweise touristisch und damit auch

00:15:10: wirtschaftlich schlechter um den Bayerischen Wald bestellt sein.

00:15:13: Einfach mal Natur Natur sein lassen ist also zum Erfolgsmotor für eine ganze Region geworden

00:15:20: und Vereine wie PRO Nationalpark haben sicherlich einen großen Anteil daran, dass diese Idee

00:15:25: von den allermeisten inzwischen nicht mehr angezweifelt wird.

00:15:30: Der Grund für manche Nationalpark-Skepsis liegt meist in der Beziehung der Waidler zum

00:15:41: Wald.

00:15:42: Die meisten sprechen sogar von ihrem Woid.

00:15:46: Aber woher kommt diese enge Beziehung eigentlich?

00:15:49: Naja, früher war der Wald für die Einheimischen Lebensgrundlage, vor Allem die Holzwirtschaft

00:15:55: war, neben der Glasindustrie, über Jahrhunderte der Wirtschaftsmotor.

00:16:00: Und genau das ist nun unser Thema auf dem zweiten Abschnitt unserer heutigen Tour, von

00:16:05: der Alten Klause geht es nun weiter zur Reschbachklause: Ich freu mich, dass ich jetzt mit einem ganz

00:16:11: besonderen und sehr spannenden Wandern gehe und zwar der zweite Kreisheimatpfleger im

00:16:19: Landkreis Freyung-Grafenau, Gerhard Ruhland.

00:16:21: Gerhard, erst einmal: Guten Morgen.

00:16:24: (lachen) Guten Morgen.

00:16:25: Ja, es ist neblig heute, es nässelt ein wenig runter aber wir lassen es uns trotzdem nicht

00:16:32: nehmen, dass wir jetzt diesen besonders, und vor Allem geschichtlich besonders spannenden

00:16:36: Abschnitt, jetzt eben von der Alten Klause zur Reschbachklause noch raufgehen.

00:16:40: Was mir der Max gesagt hat, wir gehen da ja quasi gerade auf einem alten Weg, da wo die

00:16:48: Zugschlitten früher gefahren sind, stimmt das?

00:16:49: Ja, ja.

00:16:50: Da sind tatsächlich noch Zugschlitten gefahren eben im, im Rahmen der Trift.

00:16:54: Da haben sie den Weg also ein bisschen ausgebaut, dass sie da mit den Schlitten also fahren

00:16:59: haben können.

00:17:00: Und das ist tatsächlich noch so ein alter Zugweg.

00:17:02: Ich freu mich, dass wir heute eben in Finsterau herinnen dieses besonders spannende Thema

00:17:09: Holzwirtschaft, Trift mit dir beleuchten dürfen, weil im Endeffekt bist du ja eigentlich ein

00:17:16: ziemlicher Fachmann auf dem Gebiet, hast ja sogar ein Buch geschrieben.

00:17:18: Ah, ja, ich hab mich da ein bisschen eingearbeitet.

00:17:21: Fachmann, da müsste man dabei gewesen sein.

00:17:22: Aber ich bin froh, dass ich nicht dabei sein hab müssen weil die Arbeit war brutal hart

00:17:29: und man unterschätz das in heutiger Zeit wahrscheinlich was die Leute da auf sich nehmen

00:17:34: haben müssen um also diese Arbeit bewältigen zu können.

00:17:37: War aber interessant da auf den Spuren dann der alten Trifter, dann das Erkunden, was

00:17:44: die alles leisten haben müssen.

00:17:46: Wir wollen eben genau auf diesen Aspekt ein wenig eingehen.

00:17:50: Wie ist das eigentlich losgegangen mit dieser Forstwirtschaft da herinnen, weil der Bayerische

00:17:55: Wald war ja dann relativ spät besiedelt?

00:17:57: Ja, das mit der Besiedelung ist wieder eine Geschichte für sich, aber es stimmt, der

00:18:02: Bayerische Wald war, was so eine flächendeckende Besiedelung betrifft natürlich spät dran.

00:18:07: Aber schön langsam ist er dann halt doch besiedelt worden und ja in Passau, weil Passau

00:18:14: ist für uns halt ein extrem wichtiger Bezugspunkt.

00:18:17: In Passau haben sie also lang gar nicht richtig registriert was der Bischof denn da eigentlich

00:18:24: für Erwerbsquellen da herinnen gehabt hätte, wenn man er sie denn erschlossen hätte.

00:18:29: Natürlich hat man in Passau Holz gebraucht, zum Häuserbauen natürlich und vor allem

00:18:34: Brennholz aber das haben sie am Anfang eher so aus der direkten Umgebung von Passau rekrutiert,

00:18:41: vielleicht haben sie schon ein paar Scheiter auf der Ilz geschwemmt aber noch nicht in

00:18:47: planmäßigen oder größeren Umfang.

00:18:50: Passau ist ja reicht geworden durch das Salz aber allmählich ist das Salzgeschäft so

00:18:58: ein bisschen beeinträchtigt worden.

00:18:59: A) durch die Bayern, die dann auch ein Stück von diesem Salzkuchen abhaben wollten, ja

00:19:03: und zum anderen durch das Hause Habsburg.

00:19:07: Das war dann 1706.

00:19:08: Die haben dann praktisch die Salzzufuhr über den Goldenen Steig mehr oder weniger gestoppt,

00:19:15: weil die natürlich selbst das Geschäft machen wollten und das Salz über Südböhmen dann

00:19:19: eben nach Böhmen einführen wollten.

00:19:21: Ja, jetzt hat sich natürlich schon die Frage gestellt, wie kann ich die wegbrechenden Einnahmen

00:19:29: irgendwie kompensieren?

00:19:30: Und jetzt ist man draufgekommen, aha, Holz wär da vielleicht gar nicht schlecht.

00:19:34: Holz wär doch ein bisschen was wert.

00:19:36: Holz wäre was wert.

00:19:37: Und die Städte sind natürlich auch gewachsen und die Donau ist natürlich eine ganz wichtige

00:19:43: Verkehrsverbindung natürlich auch, wo man dann Holz auch befördern hat können.

00:19:49: Und Passau ist gewachsen aber Passau war so gesehen nur eine kleine Stadt im Vergleich

00:19:54: zu Wien, beispielsweise.

00:19:55: Wien war dann die größte Stadt praktisch in Mitteleuropa.

00:19:58: Wien hat einen enormen Brennholzbedarf dann auf einmal entwickelt, und das hat natürlich

00:20:06: Auswirkungen gehabt, letztlich bis zu uns rauf.

00:20:08: Weil ja die Donau praktisch auch als Lebensader für Wien gehabt hat.

00:20:11: Da sie bergab fließt, fließt sie ja quasi von uns raus nach Wien, ja.

00:20:15: Genau.

00:20:16: Und das war jetzt natürlich die Gleichung die Passau aufgestellt hat, aha Holz, Bayerischer

00:20:18: Wald, da gibt es genug und dann selbst verbrauchen zum Teil aber dann auch Reibach machen indem

00:20:26: man das nach Wien transportieren.

00:20:29: Und da gibt es gutes Geld, weil die Wiener haben das gebraucht.

00:20:32: Soweit der historische Hintergrund der aufkommenden kommerziellen Nutzung der Wälder.

00:20:36: Doch bis der Handel mit Brenn- und Bauholz wirklich rentabel war, musste zunächst ein

00:20:42: wirtschaftlicher Weg, vor Allem des Holztransportes erschlossen werden:

00:20:46: Zu dieser Zeit gab es ja, natürlich, keine LKWs, es gab keinen Zug.

00:20:50: Der Bayerische Wald war wenig erschlossen, dass man dann das Problem gehabt hat, ähm…

00:20:55: wie bringt man denn eigentlich das ganze Holz dann aus dem Bayerischen Wald raus?

00:20:59: Und haben dann nochmal eine gute Idee gehabt und haben festgestellt: Ah, Holz und vor allen

00:21:05: Dingen Fichte schwimmt gut.

00:21:06: Ja.

00:21:07: Dann ist der Wasserweg genutzt worden.

00:21:08: Genau.

00:21:09: Also der Wasserweg hat sich natürlich angeboten.

00:21:11: Und DER Wasserweg aus dem Wald raus, aus dem Unteren Wald raus ist natürlich die Ilz.

00:21:18: Aber, das hört sich jetzt mal so schön an: Naja, da haben wir so ein schönes Gewässer,

00:21:24: da schmeißen wir das Holz rein und dann schwimmt das dann völlig entspannt nach Passau, dem

00:21:31: war nicht so.

00:21:32: Denn, das ist natürlich ein rasantes Fließgewässer.

00:21:37: Du musst erst einmal das Holz in die Ilz reinbringen, ist es dort schon schwierig gewesen, aber

00:21:44: die Bayerwaldbäche die ja letztlich als Zufuhrbäche gedient haben, das waren die großen Probleme.

00:21:50: Weil das waren ja wirklich reißende Fließgewässer, zumindest im Frühjahr, wenn man an die Buchberger

00:21:56: Leite denkt, die Wolfsteiner Ohe.

00:21:58: Und das Holz da runter zu bringen nach Passau war sehr schwierig.

00:22:03: Drum hat man also große Anstrengungen unternommen um das zu bewerkstelligen.

00:22:09: Aber es hat natürlich noch ein riesen Problem gegeben, für die Bischöfe von Passau.

00:22:14: Das hat die Trift eigentlich über wirklich längere Zeit erheblich belastet, denn die

00:22:20: Ilz berührt an zwei Stellen bayerischen Boden.

00:22:23: Oje.

00:22:24: Ja genau, oje!

00:22:27: Oje zum Quadrat (lachen) für die Passauer.

00:22:29: Denn, grad Hals war so eine, Burg Hals, da hat es ja die Grafenpfalz gegeben, dann die

00:22:35: von Leuchtenberger und das ist dann bayerisch geworden.

00:22:37: Also hockt ein, eine bayerische Enklave direkt vor Passau.

00:22:42: Und die haben da natürlich auch die Hand auf der Ilz, also auch auf der Trift draufgehabt.

00:22:47: Also musste man sich da arrangieren und das war schwierig.

00:22:52: So mussten die Bistümler einige Kompromisse mit den Bayern eingehen.

00:22:56: Auch weil mit der zunehmenden Nutzung der Ilz für die Trift die einst in großen Mengen

00:23:02: vorkommenden Flussperlmuscheln und reichen Fischbestände bedrohten.

00:23:06: Und so war der Transport der Holzscheite und Baumstämmen auf dem Fluss stark reglementiert:

00:23:14: Und im Endeffekt hat das die Trift lange Zeit behindert, sodass also bis ins 18. Jahrhundert

00:23:20: gedauert hat, sagen wir mal bis 1730 rum, wo die Trift dann also wirklich so viel Fahrt

00:23:26: aufgenommen hat, sodass man also auch wirklich auch die Bayerwaldbäche mit einbezogen hat

00:23:31: und dann halt die Ilz als Haupttriftgewässer genutzt hat.

00:23:35: Aber das Problem blieb eben, Bayern hat da an zwei Stellen Rechte gehabt und das war

00:23:42: ein erhebliches Hindernis.

00:23:44: Das kann ich mir vorstellen.

00:23:46: Und, ah die Häuser, beziehungsweise Bayern hat ja dann auch kräftig mitverdient.

00:23:50: Weil, es hat ja in Hals, man sieht heute noch davon Spuren beziehungsweise bauliche Werke

00:23:57: auch, dieser Holztriftgeschichte, da hat es ja dann auch eine große Triftsperre, zum

00:24:02: Beispiel, gegeben.

00:24:03: Weil, wie bekommt man die Baumstämme wieder aus dem Wasser und vor allen Dingen, wie stoppt

00:24:07: man sie?

00:24:08: Da war ja Hals ein ganz wichtiger Ort.

00:24:10: Ja, ja.

00:24:11: Das war natürlich auch vom technischen her ein enormer Aufwand dann die Trift zu betreiben.

00:24:16: Zum einen hat man die Bayerwaldbäche halbwegs trifttauglich machen müssen, das war sehr

00:24:22: kompliziert.

00:24:23: Zum Teil hat man mit Schwarzpulver gearbeitet, großen Felsen da rausgesprengt.

00:24:28: Dann hat man die Ufer begradigt.

00:24:30: Spuren wie der Mensch die Bayerwaldbäche umgebaut hat, sieht man auf unserem Weg entlang

00:24:35: des Reschbachs, hinauf zur Reschbachklause tatsächlich sehr häufig.

00:24:39: Ein mit Granitblöcken eingefasstes Ufer sind nur eine davon.

00:24:40: Einer weiteren großen Zeitzeugin nähern wir uns langsam, nämlich der Reschbachklause.

00:24:46: Noch haben wir aber ein paar Minuten um uns noch ein wenig mit dem menschlichen Aspekt

00:24:51: der Trift zu beschäftigen.

00:24:53: Wer waren diese Holzarbeiter und Trifter, sprich der damalige typische Waidler?

00:24:59: Die Bevölkerung im Bayerischen Wald war arm, das ist einfach so.

00:25:05: Die Böden waren karg, die Bauern haben wenig erwirtschaften können, es hat sonst keine

00:25:16: - in Anführungszeichen – Industrie gegeben, außer Steine, - Granit ja – und Glas aber

00:25:20: ansonsten gab es nichts.

00:25:22: Und deswegen war es praktisch für die nichtselbstständigen Bauern die also sonst irgendwo als Knecht

00:25:28: gearbeitet hätten schon ein Zubrot und zwar kein schlechtes, wenn man da quasi in der

00:25:34: Trift mitgearbeitet hat.

00:25:35: Also das ist dann schon entsprechend bezahlt worden, diese Gefahr.

00:25:37: Das ist entsprechend bezahlt worden.

00:25:39: Die Bezahlung war gar nicht übel, vor Allem beim Schlittentransport.

00:25:43: Beim Winterzug, ja?

00:25:45: Im Winter hat man schon einiges verdienen können.

00:25:48: Wir haben schon gesagt, im Endeffekt war der Wald zu großen Teilen die Lebensgrundlage

00:25:53: vieler hier im Bayerischen Wald.

00:25:56: Man hat durch den Wald gelebt und zwar das ganze Jahr, weil eigentlich waren ja diese,

00:26:01: ja Holzhauer könnte man auch sagen, die dann später natürlich auch viele bei der Trift

00:26:06: beteiligt waren das ganze Jahr beschäftigt im Wald.

00:26:10: Wie hat das Jahr so ausgeschaut?

00:26:11: Es waren halt tatsächlich viele dann Holzhauer, die halt das Holz dann gefällt haben und

00:26:18: das auch transportiert haben und die waren im Allgemeinen dann auch an der Trift beteiligt.

00:26:24: Wobei Trift ja eine Saisonarbeit war, man hat nicht das ganze Jahr getriftet, sondern

00:26:29: halt dann wenn das Wasser gereicht hat, das war meistens im Frühjahr.

00:26:33: Im Herbst und Winter waren sie dann aber wirklich in den Wäldern beschäftigt.

00:26:38: Und haben halt dann das Holz gefällt und auch schon an die Stellen gebracht wo man

00:26:43: es dann im Frühjahr zur Trift hernehmen hat können.

00:26:47: Das heißt, man hat es erst einmal zwischenlagern müssen und dann so platzieren, dass man dann

00:26:53: im Frühjahr das relativ leicht – in Anführungszeichen – halt dann in die Bäche hat einführen

00:27:00: können.

00:27:01: Dieser Winterzug war ja mit eines der gefährlichsten Dinge.

00:27:04: Die sind ja da wirklich mit riesen Holzschlitten in der Früh losgezogen bei teilweise zwei,

00:27:10: drei Meter Schnee da herinnen.

00:27:12: Ja, das war natürlich extrem aufwendig, weil die sind in der Früh dann losgezogen mit

00:27:17: dem Schlitten und der Bayerische Wald ist nun halt mal ein Gebirge und da gibt’s halt

00:27:23: nun mal Steigungen.

00:27:24: Also die Steigungen die danach zum Gefälle werden, die hat man dann also erst einmal

00:27:30: ein wenig eintreten müssen.

00:27:31: Man hat sie also herrichten müssen, dass man danach halt da runterfahren konnte.

00:27:37: Zweimal oder dreimal hat man dann die Schneebahn praktisch dann getreten bevor dann nachher

00:27:44: überhaupt dran denken hat können, dass man runterfährt.

00:27:46: Und das Runterfahren, das war natürlich schon ein extrem gefährliches Unterfangen.

00:27:52: Sie haben da also tonnenschwere Lasten hinten geladen gehabt, später die Blöcher, früher

00:27:58: das Scheitholz, aber das waren auch schon ganz schöne „Prügeln“ und die hast du

00:28:03: dann im Kreuz und es geht dann steil bergab.

00:28:06: Das war höchst schwierig die Schlitten dann zu lenken über diese Lenkstangen also praktisch

00:28:15: und noch schwieriger war das Bremsen.

00:28:17: Es hat zwar so eine Bremse am Schlitten gegeben aber die haben vor Allem auch mit den Füßen

00:28:22: gebremst.

00:28:23: Die haben also so steigeisenförmige Gebilde an den Schuhen dran gehabt die also dann zum

00:28:27: Bremsen eingesetzt worden sind.

00:28:29: Und hinten haben auch noch so einen Bremsklotz quasi angehängt gehabt, der dann auch ein

00:28:34: wenig dazu beiträgt, dass der Schlitten nicht völlig außer Kontrolle gerät.

00:28:38: Und da hat es natürlich auch viele Unfälle gegeben, wobei sehr viele sind glimpflich

00:28:43: ausgegangen weil, die sind dann rechtzeitig abgesprungen, wenn es gut gegangen ist und

00:28:47: meistens ist es dann doch gut gegangen.

00:28:49: Aber manchmal sind sich auch an die Bäume.

00:28:51: Da war der Schlitten dann natürlich kaputt, hoffentlich Mensch nicht.

00:28:55: Aber man muss auch sagen, für das dies eigentlich eine solch gefährliche, eine höchst lebensgefährliche

00:29:00: Arbeit war, gerade dieser Winterzug, sind eigentlich verhältnismäßig wenige Leute

00:29:07: tatsächlich schwer verunfallt oder gar ums Leben gekommen.

00:29:10: Also das müssen schon wahre Könner damals auch gewesen sein.

00:29:14: Ja, absolut.

00:29:17: Nennen wir sie mal Virtuosen des Schlittenzuges oder Schlittentransportes.

00:29:21: Da hast du natürlich enorm viel Erfahrung gebraucht.

00:29:24: Noch gefährlicher war dann halt das Triften selber, das muss man schon auch sagen.

00:29:28: Was war die größte Gefahr beim Triften dann?

00:29:31: Also eine Gefahr war schon einmal, oder ist schon dadurch entstanden an den Stellen wo

00:29:36: man das Holz dann ins Wasser gebracht hat, bzw. da reingerollt hat.

00:29:43: Hat man sich zum Teil halt auf die Scheiter dann auch draufstellen müssen um sie also

00:29:48: mit den Sappis da rein zu bugsieren.

00:29:52: Und wenn jetzt da so ein Holzstoß, auf bayerisch gesagt: gehat wor’n is.

00:29:57: Also ins Rollen geraten ist.

00:29:58: Sehr schön!

00:29:59: (lachend) Ins Rollen geraten ist.

00:30:00: Ein wenig übersetzen müssen wir schon, ja.

00:30:03: Ahm… dann bestand die Gefahr, dass man dann tatsächlich in das Triftgewässer reinrutscht

00:30:10: und dann hat man wenig Chancen gehabt weil man dann dort also erdrückt worden ist durch

00:30:16: die Stämme die ja mit einiger Geschwindigkeit da nun runter gepoltert sind, also das war

00:30:25: schon sehr gefährlich.

00:30:26: Das waren schon große Gefahren und Strapazen, die die Menschen hier im Bayerischen Wald

00:30:30: auf sich nehmen mussten.

00:30:31: Übrigens sprechen wir hier nicht von vor hunderten Jahren…

00:30:35: Erst um 1960 rum ging es mit zunehmendem Straßenverkehr auch mit der Trift langsam zu Ende.

00:30:43: Zurückgeblieben sind imposante Kulturdenkmäler, wie etwa die Reschbachklause, die Gerhard

00:30:49: und ich nach rund einer Stunde erreicht haben: Gerhard, jetzt wo wir so an der Reschbachklause

00:30:55: stehen, man fühlt sich gleich automatisch ein bisschen in der Zeit zurückversetzt,

00:31:01: find ich.

00:31:02: Gerade wenn es so still ist wie heute, keine Menschenseele heroben.

00:31:05: Nimm uns doch nochmal mit, zurück in die Zeit.

00:31:08: Wie hat denn das da, früher war ja da Hochbetrieb an diesen Triftanlagen, wie hat das da ausgesehen,

00:31:15: was ist hier genau passiert?

00:31:17: Ja, also im Frühjahr hat man natürlich dann die Klausen aufgestaut damit sie also möglichst

00:31:23: viel Wasser führen und dann hat man halt den Abfluss.

00:31:26: Gehen wir mal hin, dann sehen wir ihn eh.

00:31:29: Gehen wir mal her.

00:31:30: Jede Schwelle, und das ist ja eigentlich auch das Entscheidende, hat so einen Abfluss und

00:31:35: der musste verschlossen werden können damit man halt das Wasser staut und halt dann auch

00:31:41: wieder ablassen kann.

00:31:42: Und das waren zum Teil ziemlich aufwendige Konstruktionen.

00:31:45: Früher bei kleineren Klausen hat man das also mit Holz gemacht aber bei der großen

00:31:52: Klause, wie die Reschbachklause, hat man natürlich da schon Steine verwendet.

00:31:57: Und das ist zum Teil auch wirklich sorgfältig gemauert, man sieht’s an diesen Abfluss.

00:32:02: Und das Holz ist also nicht in die Schwelle als solche dann eingebracht worden sondern

00:32:10: unterhalb des Ausflusses.

00:32:12: Da hat man bevor man das Wasser raus gelassen hat einen Teil des Holzes dort schon mal reingegeben.

00:32:19: Dann hat man die Klause ein Stück weit geöffnet, sodass schon mal ein wenig Wasser durchgekommen

00:32:27: ist und dieses Wasser, das Erstwasser nenn ich es mal, hat dann die Scheiter angehoben

00:32:34: und dann sind die in Bewegung geraten und dann hat man die Klause mit einem Schwung

00:32:40: völlig geöffnet und dann ist natürlich die große Wassermasse dann nachgedrungen

00:32:45: und dann hat man, möglichst schnell natürlich, die dort am Ufer lagernden Scheite, das hat

00:32:52: man dann dort möglichst schnell rein bringen müssen.

00:32:55: Und dann hat man eigentlich so lange flößen können bis die Klause mehr oder weniger leer

00:33:00: war.

00:33:01: War schon ein morts Betrieb, da waren sicherlich dutzende von Menschen im Einsatz.

00:33:07: Aber bei den Rechen, beispielsweise.

00:33:10: Also bei den Triftsperren wo dann das Holz aufgefangen wurde, weil du musst ja irgendwie

00:33:15: das Holz das im Wasser ist wieder rausbringen, da hat man also diese Rechen gehabt.

00:33:20: Das also Sperren praktisch im Wasser drin.

00:33:23: Die dann so kammartige Gebilde gehabt haben, aus Baumstämmen, die aber flexibel waren,

00:33:31: die waren also nicht ganz starr und dieser Kamm an Baumstämmen hat praktisch dann das

00:33:36: schwimmende Holz aufgefangen.

00:33:37: Und da hat man es dann, schon auch mühsam, wieder rausbringen müssen.

00:33:42: Und man kann sich das ja auch anschauen, das ist ja megaspektakulär und beeindruckend

00:33:48: wie das dann auch ausgesehen hat.

00:33:50: Es gibt ein Buch von dir: Der Wimmersche Schwemmkanal.

00:33:52: Da kann man sich auch ganz viel noch über die Holztrift anlesen und man sieht eben auch

00:33:59: historische Aufnahmen teilweise wo man diesen Rechen, zum Beispiel damals in Hals unten

00:34:05: bei Passau, noch wunderbar sieht, aber es hat ja nicht nur in Hals einen gegeben.

00:34:07: Es hat andere Rechen auch gegeben, es hat in der Nähe von Freyung Rechen gegeben und

00:34:13: ein ganz großer war bei Fürsteneck und waren auch dringend nötig, weil natürlich hat

00:34:17: man schon versucht das Holz bis nach Passau zu flößen in die Ilzstadt bis zum Bschütt

00:34:22: aber es wäre unmöglich gewesen da diese Riesenmengen in einem Schwung da rein zu triften.

00:34:29: Jetzt hat man quasi die Sperren vorher gehabt um die Menge zu regulieren.

00:34:35: Weil sonst wäre die kleine Sperre in der Ilzstadt sonst völlig überfordert gewesen.

00:34:41: Es war so noch genügend zu tun.

00:34:44: Es war also in der Ilzstadt waren zum Teil zwei- bis dreihundert Leute beschäftigt um

00:34:49: das Holz dann aus dem Wasser raus zu holen und zu verfrachten.

00:34:54: Ja, man hat es ja dann auf die Donau vor Allem bringen müssen, das Holz das man weiterverschifft

00:34:59: hat.

00:35:00: Also da war schon einiges geboten.

00:35:01: Und es waren auch wertvolle Arbeitsplätze.

00:35:04: Und so auch hier.

00:35:07: Es waren viele Leute mit der Trift befasst, beschäftigt und haben Arbeit und Brot gehabt.

00:35:14: Und es sind schon, im Jahr sind ja auf der Ilz ungefähr 30.000 Klafter, das sind ungefähr

00:35:20: 100.000 Ster, sind dort geflößt worden.

00:35:24: Das ist schon eine Menge.

00:35:26: Was ja einerseits positiv war weil ja die Leute da Arbeit gehabt haben und da profitiert

00:35:33: haben, finanziell.

00:35:34: Aber man darf jetzt aus heutiger Sicht auch nicht vergessen, dass natürlich da schon

00:35:38: eine ganze Menge Holz für die Öfen bereitgestellt worden ist und schon sehr stark abgeholzt

00:35:45: worden ist.

00:35:46: Da hat man dann aber schon auch darauf reagiert und hat gesagt: Also wir dürfen unseren Wald

00:35:50: nicht gänzlich ausbeuten, ja.

00:35:53: Nicht komplett kahlschlagen.

00:35:55: Man hat schon ein Bewusstsein dafür entwickelt aber aus heutiger Sicht ist trotzdem viel

00:36:00: zu viel geschwemmt worden aber damals, das kann man ja nicht vergleichen, war das für

00:36:06: die Leute halt wirklich lebenswichtig – überlebenswichtig.

00:36:09: Und so kann man die Bedeutung des Waldes für die Waidler auch besser nachvollziehen.

00:36:16: Jahrhunderte haben die Menschen den Wald als ihr Brot, ihr Einkommen und selbstverständlich

00:36:20: auch ihren Lebensraum betrachtet.

00:36:23: Heute liegen die Dinge freilich etwas anders.

00:36:26: Obwohl der Wald weiterhin ein großer Wirtschaftsfaktor ist, weniger in der Forstwirtschaft, aber

00:36:32: dafür umso mehr als der Magnet einer ganzen Tourismusregion, mit dem Nationalpark Bayerischer

00:36:38: Wald als wichtigsten Faktor.

00:36:39: Und am Ende könnte man noch die etwas philosophische Frage stellen, was am Ende mehr wert ist,

00:36:47: die reine Wirtschaft oder nicht vielleicht doch die Natur?

00:36:51: Und damit Servus, und bis zum nächsten Mal!

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