Der Mensch und die Wildnis

Shownotes

Natur Natur sein lassen, das steht als Motto über dem Nationalpark Bayerischer Wald, dem größten und ältesten Waldnationalpark Deutschlands. Auf über 75 Prozent der immerhin 25.000 Hektar Nationalparkfläche greift der Mensch auch tatsächlich nicht mehr ein. In einem 500 bis 1000 Meter breiten Streifen am Rand des Schutzgebietes, in der Managementzone, kann der Mensch aber nicht untätig bleiben, etwa beim Borkenkäfermanagement aber auch wenn es um Wildtiere wie den Rothirsch oder den Biber geht.

Folge 11 des Nationalparkpodcasts „Wildnis G’schichtn“ nimmt sich genau diesem Spannungsfeld zwischen sich selbst überlassener Natur und menschlichem Management an. Wo und warum muss der Nationalpark manchmal steuernd eingreifen und wie sehen solche Maßnahmen in der Praxis aus? Anhand der Beispiele Wildtier- und Borkenkäfermanagement erklären Prof. Marco Heurich, Sachgebietsleiter für Nationalparkmonitoring und Tier-Freigelände, und Helmut Kustermann, Leiter der Nationalparkdienststelle Finsterau, die Managementmaßnahmen des Nationalparks. Auf einer herrlichen Tour von der Großen Kanzel über die Steinbachklause ins Reschbachtal wandern die beiden mit Podcasterin Julia Reihofer den Themen hinterher.

Kommt mit, auf die diese spannende Entdeckertour durch den Nationalpark Bayerischer Wald.

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00:00:00: Wildnis G'schichtn. Der Mensch und die Wildnis.

00:00:08: Knapp 25.000 Hektar Natur stehen hier im  Nationalpark Bayerischer Wald unter Schutz und  

00:00:16: auf gut 75 Prozent der Fläche greift der Mensch  nicht ein, hier darf echte Waldwildnis entstehen. 

00:00:24: Zum Nationalpark Bayerischer Wald gehört aber auch  die sogenannte Management-Zone. Ein 500 bis 1.000  

00:00:30: Meter breiter Streifen am Rand des Schutzgebietes,  in dem der Mensch tatsächlich eingreifen muss,  

00:00:36: etwa wenn es um das Wildtier- oder noch  berühmter, das Borkenkäfermanagement geht. 

00:00:43: Beides schauen wir uns heute an, auf einer  herrlichen Tour von der Großen Kanzel hinunter  

00:00:48: ins Reschbachtal. Ich bin die Julia und schön,  dass ihr auch dieses Mal wieder auf Hörtour mit  

00:00:54: uns geht. Mit Prof. Dr. Marco Heurich bin ich über  das Seefilz zur Steinbachklause unterwegs, über  

00:01:02: einen der schönsten Rundwege die wir  hier haben, den Rundweg Eisvogel. 

00:01:06: Es ist heute so früh, dass noch nicht einmal die  Sonne heraußen ist, so wirklich. Aber schön, dass  

00:01:11: du mit mir heute schon so früh unterwegs bist. Ja, sehr gerne. Wir haben ja schon eine sehr schön  

00:01:15: Herbststimmung, schon alles verfärbt. Einfach ein  schöner Morgen wo wir vielleicht auch noch das ein  

00:01:22: oder andere Interessante beobachten können. Gerade vorhin, die ersten paar Meter,  

00:01:27: haben wir tatsächlich schon ein Haselhuhn gesehen. Das ist auch eine ganz besondere Art bei uns. Die  

00:01:34: ist eigentlich wenig auffällig, man sieht  sie meistens nur wegfliegen wenn man im  

00:01:39: Wald unterwegs ist. Aber das ist eine ganz  besondere Art die auch in anderen Gebieten  

00:01:44: kaum noch vorkommt. Also da ist der Bayerische  Wald, Böhmerwald ein wichtiges Rückzugsgebiet  

00:01:50: und wir sind auch ganz stolz drauf, dass die  Art hier überlebt hat und auch gut leben kann. 

00:01:55: Wir gehen ja jetzt in Richtung Reschbachtal  runter und hier ist ja auch ein typischer  

00:02:00: Lebensraum eigentlich für die Art. Genau, Bergmischwald ist typisch,  

00:02:05: aber auch die Störungsflächen. Da hilft also auch  der Borkenkäfer dazu, dass die Art heterogene  

00:02:10: Waldstrukturen kriegt, auch mit Laubholz. Und das  ist genau das was sie brauchen, die Haselhühner. 

00:02:16: Jedenfalls schöne Tiere und schön sie wirklich  auch mal in freier Wildbahn sehen zu können. Aber,  

00:02:22: es wird heute nicht nur ums Haselhuhn gehen, wir  wollen in dieser Folge ein bisschen beleuchten,  

00:02:27: wo müssen wir als Nationalpark in  die Natur eingreifen, wo haben wir  

00:02:32: den Auftrag einzugreifen und wo dürfen wir, Gott  sei Dank, der Natur völlig freien Raum geben. Ja,  

00:02:39: du bist ja bei uns eigentlich genau für das Thema  zuständig. Vielleicht erklär es mal unseren Hörern  

00:02:44: noch was du hier im Nationalpark machst. Ja, ich bin im Nationalpark zuständig,  

00:02:48: sagen wir mal, für die Wildtiere. Und da  machen wir vor allem Wildtiermonitoring,  

00:02:55: das heißt wir schauen wie sich die Bestände  entwickeln, unter anderem beim Luchs, beim Wolf  

00:03:01: als Neuzugang, aber auch beim Schalenwild, beim  Fischotter, beim Biber, sodass wir wissen was in  

00:03:08: den Nationalparkwäldern vor sich geht. Und wir  sind auch noch zuständig für das Management der  

00:03:14: großen Beutegreifer also Luchs und Wolf und wir  sind zuständig für die Tierfreigelände, das heißt  

00:03:21: auch die ganzen Tiere die in unserer Obhut sind  und die einen wichtigen Bildungsauftrag haben. 

00:03:27: Ok, dann lass uns das Thema mal langsam  aufdröseln. Du hast schon gesagt,  

00:03:32: Wildtiermonitoring. Ihr schaut, was bei uns  im Nationalpark unterwegs ist an Tieren.  

00:03:40: Wie untersuchst du das? Weil, du kannst ja  nicht rausgehen und garantiert Tiere sehen  

00:03:45: und sie dann einfach durchzählen. Ja, das stellt man sich so vor,  

00:03:48: man setzt sich auf den Hochsitz oder irgendwo  auf die Lauer und dann zählt man die Tiere  

00:03:53: die vorbei kommen. Das ist aber bei so einer  Fläche von 250 Quadratkilometern oder 25.000  

00:04:00: Hektar - unmöglich - nicht möglich. Und da haben  wir verschiedene Methoden die wir da einsetzen. 

00:04:07: Da ist eine wichtige Methode  sicherlich die Fotofallen. Das heißt,  

00:04:12: die werden systematisch im Gebiet verteilt und  mit diesen Kameras, das sind unsere Augen im Wald,  

00:04:19: sehen wir was im Nationalpark los  ist und welche Tierarten vorkommen  

00:04:22: und auch wie sich ihre Bestände entwickeln. Und dabei gibt es verschiedene Methoden. Das  

00:04:28: Monitoring mit Wildkameras, also  Fotofallen, ist nur eine davon. 

00:04:32: Ja, eine wichtige Methode wo wir schwerpunktmäßig  auch auf die Hinterlassenschaften der Tiere es  

00:04:40: abgesehen haben, das ist ein genetisches  Monitoring. Wird glaub ich, ganz berühmtes  

00:04:45: Beispiel, bei den Auerhühern gemacht, gell? Wird bei den Auerhühnern gemacht,  

00:04:48: aber wir haben das auch bei den Hirschen  gemacht, sodass wir großflächig die Losung  

00:04:53: gesammelt haben um letztendlich Hirsche  zu zählen, mit genetischen Methoden. 

00:04:58: Das heißt, wir können aus der Losung halt  feststellen um welchen Hirsch es sich handelt  

00:05:03: und dann gibt es feine statistische Methoden  um dann auszurechnen wie viele Tiere wo sind. 

00:05:10: Krass. Wie viel Rothirsch ist aktuell unterwegs? Ja so im Nationalparkgebiet  

00:05:16: selbst so um die 500 Tiere. Das ist halt tatsächlich, und das zeigen  

00:05:21: uns auch die Fotofallen, sind die Rothirsche  die häufigste große Tierart im Nationalpark. 

00:05:27: Die im Randbereich des Nationalparks  tatsächlich auch gemanaget werden müssen. Wie  

00:05:33: das genau funktioniert, hören wir etwas später  dann noch. Zunächst haben wir nach einer rund  

00:05:37: dreiviertel Stunde unser erstes Etappenziel für  heute erreicht, die Steinbachklause. Und hier ist  

00:05:43: ein wahrer Baumeister der Natur im Einsatz. Ach das ging jetzt aber schnell,  

00:05:48: Marco. Wir sind jetzt tatsächlich schon an der  Steinbachklause. Diese alte Triftsperr hier,  

00:05:56: die mittlerweile nicht mehr der Mensch  absperrt sondern der Biber. (lacht) 

00:06:01: Ja, das ist schon der Wahnsinn. Also  er ist jetzt wieder richtig aktiv,  

00:06:03: die letzten Jahre war hier nicht so viel Biber. Da  hatten wir schon gedacht: Warum haben wir diesen  

00:06:07: Steg hier gebaut? Der war dann im Trockenen,  aber jetzt hab er wieder frisch gestaut. 

00:06:12: Die Klause hat jetzt richtig viel Wasser. Auch  am Steinbach entlang sind neue Dämme entstanden  

00:06:17: und jetzt sieht man, dass der Steg, den wir gebaut  haben, dass der wichtig ist, weil wir würden nicht  

00:06:22: mehr trockenen Fußes auf die andere Seite kommen. Selbst mit Gummistiefel wär es hier schwierig und,  

00:06:27: soweit ich weiß, musste der Steg ja vor ein  paar Jahren ja auch schon mal verlegt werden,  

00:06:31: weil der Biber hier so aktiv war. Ja, der Biber hat dann an den Steg  

00:06:34: gebaut und hat den Steg genutzt, quasi um seinen  Damm zu bauen. Quasi als Stauhilfe und dann... 

00:06:40: Genau, und das ist ja auch ein Teil unseres  Bibermanagements. Der Biber hat im Nationalpark  

00:06:45: Vorfahrt. Das heißt, wenn irgendwo was überstaut  wird, dann muss die menschliche Infrastruktur sich  

00:06:52: anpassen. Wie jetzt hier bei dem Wanderweg.  Wir gehen jetzt nicht hin und reißen den Damm  

00:06:56: vom Biber weg, sondern wir bauen einen Steg,  dass Mensch und Natur im Nationalpark dann  

00:07:01: in Einklang sind, dass man zum einen den Biber  und die Steinbachklause erleben kann, aber auch,  

00:07:05: dass der Biber hier ungestört leben kann. Man sieht jetzt da hinten ist die Burg. Da  

00:07:09: hat er schon quasi an so einem Fichtenstumpf die  ganzen Äste aufgebaut und fängt auch an, da geht  

00:07:15: jetzt so ein Pfad hoch, also so ne richtige  kleine Autobahn, da bringt er dann das ganze,  

00:07:20: den ganzen Schlamm und die Steine hoch um  seine Burg für den Winter fest zu machen.  

00:07:26: Ist aber dann ein Erdbau quasi, also er ist  jetzt nicht direkt... Ja, das ist ein Erdbau.  

00:07:30: Das ist halt quasi die häufigste Art, dass  quasi der einfach am Ufer einen Gang gräbt. 

00:07:36: Und dann am Ende des Gangs legt er einen  Kessel an, wo dann die ganze Familie  

00:07:41: platz hat. Und da das meistens dann nicht  stabil ist, weil es zu oberflächennah ist,  

00:07:47: legt er dann Äste oben drauf und dichtet die  dann wieder mit Erde ab. Und das geschickte  

00:07:52: da dran ist, dass er sich da natürlich vor seinen  Fressfeinden schützen will. Weil, der Ausgang von  

00:07:58: der Biberburg, der ist natürlich unter Wasser. Das  heißt, wenn jetzt irgendwelche Feinde vom Biber  

00:08:04: kommen, dann können die nicht in seine Wohnung  vordringen. Trotzdem ist er sehr gefährdet. 

00:08:10: Also wir sehen das momentan auch. 10 Prozent  der Risse die wir gefunden haben oder,  

00:08:15: bzw. der Losung die wir analysiert haben,  von den Wölfen waren Biber. Was, echt? 

00:08:20: Also Wölfe jagen Biber. Hätte  ich jetzt nicht erwartet. 

00:08:23: So ein Biber ist natürlich ein super Braten,  weil, das glaubt man gar nicht, der Biber  

00:08:28: ist wesentlich schwerer als ein Reh. Echt? Das ist bei uns quasi eine der big five-Arten.  

00:08:34: Da ist natürlich der Hirsch als große Art, wir  haben das Wildschwein, dann kommt natürlich Wolf,  

00:08:39: Luchs, aber vom Gewicht her auch schon  der Biber. Die 35 und mehr Kilo wiegen,  

00:08:45: so ein Reh hat beispielsweise nur 25 Kilo. Und mit etwas Glück kann man die Biberfamilie hier  

00:08:50: an der Steinbachklause auch beobachten, gerade  jetzt im Herbst. Um diese Jahreszeit sind sie  

00:08:56: am aktivsten, weil sie nicht nur ihre Biberburg  winterfest machen sondern sich auch entsprechende  

00:09:03: Nahrungsvorräte anlegen. Das können Sie hier an  der Steinbachklause auch völlig ungestört tun.  

00:09:09: Anders sieht es wieder im Randbereich, bzw.  in der Managementzone des Nationalparks aus.  

00:09:15: Hier muss der Biber teilweise gemanaget werden. Also in der Naturzone gilt, das sind ja 75 Prozent  

00:09:21: der Nationalparkfläche, gilt Natur Natur sein  lassen, da hat der Biber in jedem Fall Vorrang. 

00:09:27: Schwieriger wird es im Randbereich vom  Nationalpark. Da gibt es zum Teil E-Kraftwerke,  

00:09:31: da gibt's Kläranlagen, da gibt's auch teilweise  Häuser die im Bachgrund stehen und wenn da der  

00:09:38: Biber natürlich jetzt den Durchfluss der  Kläranlage verstaut oder zubaut oder direkt  

00:09:44: einen Damm davor baut, sodass die Abwässer nicht  mehr abfließen können, dann muss natürlich dann  

00:09:50: auch wieder eingegriffen werden und dann wird der  Damm letztendlich entfernt. Und der Biber dann  

00:09:54: wahrscheinlich umgesiedelt, oder? Ja gut, man  versucht erst einmal den Biber zu ärgern. Dann  

00:09:59: gibt es verschiedene Möglichkeiten. Zum Beispiel,  dass man Rohre einbaut. Der Biber hat immer so  

00:10:05: einen Baureflex wenn es plätschert. Also wenn es  an seinem Damm plätschert dann fängt er da an zu  

00:10:10: bauen. Und wenn man dieses Plätschern stoppt,  dann baut er nicht mehr weiter, das heißt, man  

00:10:14: kann diesen Damm abtragen. Und bringt dann quasi  so ein Entwässerungsrohr, schießt man durch den  

00:10:19: Damm durch und dann fließt das Wasser einfach ab,  ohne zu plätschern und dann baut der nicht weiter. 

00:10:24: Es kann aber auch sein, grad im Randbereich, wenn  der Biber dann mehrfach solche Dammbauten macht,  

00:10:30: wo dann auch die ganzen Maßnahmen nicht helfen, da  ist dann natürlich die Untere Naturschutzbehörde  

00:10:36: gefragt und das kann tatsächlich auch  bis zur Entnahme des Bibers führen. Aber,  

00:10:41: nicht auf Nationalparkgrund, also das ist  unser Grundsatz. Wir wollen keine Biber eben  

00:10:45: auf der Nationalparkfläche entnehmen,  aber es kann sein, dass am Rand vom  

00:10:50: Nationalpark da Maßnahmen ergriffen werden. Hier an der Steinbachklause und auch  

00:10:54: entlang des Steinbachs darf sich der Biber aber  frei entfalten und damit einzigartige Ökosysteme  

00:11:01: entstehen lassen. Im Nationalpark sind die  Biber, dadurch, dass man sie lassen kann,  

00:11:05: Schlüsselarten für die Biodiversität. Weil, diese ganzen Feuchtbiotope,  

00:11:10: diese ganzen offenen Wasserflächen aber auch die  überstauten Flächen, die gab es vorher nicht,  

00:11:15: weil alle Gewässer im Nationalpark durch die  Holztrift verbaut waren. Und durch den Biber  

00:11:20: kommen ganz viele Arten in den Nationalpark  die es hier vorher gar nicht mehr gab.

00:11:24: Das ist zum Beispiel die Bekassine die wir festgestellt haben, Wasservögel

00:11:28: bis hin zum Schwarzstorch der das natürlich als Nahrungsgewässer nutzt

00:11:32: und wir hatten in den letzten Jahren sogar schon die ersten Sichtungen von Kranichen

00:11:36: im Nationalparkgebiet. Da wo der Biber die größten Teiche bislang angelegt hat

00:11:41: Tolle Art!

00:11:43: und der Biber der kommt mittlerweile bei uns im Park in Lebensräumen vor

00:11:46: die wir gar nicht für möglich gehalten haben

00:11:48: also das ist oben im Lusental, hinter dem Rachel

00:11:51: in irgendwelchen Bergfichtenwälder, wo man sich fragt was frisst er da

00:11:56: aber oft ist das eine Synergie zwischen Borkenkäfer und Biber

00:12:00: das heißt wir haben Borkenkäferbefall

00:12:02: und nach dem Borkenkäferbefall da kommen dann oft Birken

00:12:05: da kommen oft Vogelbeeren und das sind genau die Arten die der Biber mag

00:12:09: und deswegen kann sich der Biber in so einem reinen Fichtenwald kann er sich gar nicht ansiedeln

00:12:13: weil die Fichte kann er nicht fressen die harzt, und dann bleibt das Harz in den Zähnen hängen

00:12:17: Kaugummi

00:12:19: Aber natürlich wenn durch den Borkenkäfer eben solche Sukzessionsflächen entstehen

00:12:24: das sind genau die Flächen die der Biber nutzt und ohne den Borkenkäfer gibt's nicht zu viele Biber im Nationalpark

00:12:31: Auch mal wieder ein Beispiel dafür, wie sich die unterschiedlichen Arten hier im Nationalpark gegenseitig beeinflussen können.

00:12:38: Marco und ich wollen jetzt langsam weiter, entlang des Steinbachs und weiter auf dem Rundweg Eisvogel in Richtung Reschbachtal hinunter.

00:12:47: Und dabei kommen wir auch durch ein Wildschutzgebiet.

00:12:51: Hier, in diesem Bereich wird ebenfalls gemanaget

00:12:54: Der Bestand der Rothirsche du hast es schon angesprochen

00:12:58: aktuell über 500 Tiere im Park unterwegs

00:13:01: muss reguliert werden. Warum?

00:13:04: Ja da gibt's verschiedene Gründe zum einen weil die ganze Zeit der natürliche Prädator eben der Wolf gefehlt hat

00:13:10: und wir sehen jetzt schon dass ungefähr 75% der Beutetiere unserer Wölfe die hier im System leben

00:13:18: Rotwild sind.

00:13:20: Das heißt, der hat bis lang gefehlt aber er kommt jetzt zurück

00:13:23: und ohne diesen Wolf würd sich halt die Rothirschpopulation die würde halt stark ansteigen

00:13:29: und das Problem ist dann, dass die Hirsche gerade im Winter wenn wir viel Schnee haben auch aus dem Nationalpark rausgehen würden,

00:13:37: weil die natürlichen Überwinterungsgebiete vom Rotwild die würden ja weiter draußen Richtung Elsental, Richtung Donau liegen

00:13:46: und früher ist das Rotwild auch in diese natürlichen Überwinterungsgebiete, wo es weniger Schnee hat, gezogen

00:13:53: Und was man vielleicht auch erklären muss: In Bayern gibt es sogenannte Rotwildbezirke.

00:13:57: Nur in denen ist es quasi dem Rotwild gestattet zu leben.

00:14:02: Genau und dummerweise für den Rothirsch hört dieses Rotwildgebiet mehr oder weniger an der Nationalparkgrenze auf

00:14:10: das heißt Rotwild, dass die Schutzgebiete verlässt

00:14:15: und auch noch einige Privatjagdreviere gehören auch noch zum Rotwildgebiet aber wenn Rotwild da rausgeht

00:14:21: und rauszieht, muss es erlegt werden

00:14:24: und das ist halt auch ein wichtiger Grund weil wir gesetzlich einfach dazu verpflichtet sind

00:14:30: und natürlich auch äh eine Verantwortung gegenüber unseren Nachbarn haben.

00:14:36: weil Rotwild natürlich im Wirtschaftswald auch Schäden macht

00:14:41: Ist klar, ähnlich wie beim Borkenkäfer muss dann quasi zum Schutz der außen umliegenden Privatwälder

00:14:46: im Nationalpark schon dafür gesorgt werden, dass der Wald draußen keinen Schaden nimmt wie du gerade erklärt hast.

00:14:52: Wie wie funktioniert es dann hier im Nationalpark? Es wird vor allen Dingen dann im Winter gemanaged.

00:14:59: Genau ich meine zum einen sind wir an die Jagdzeiten wie überall in Bayern gebunden

00:15:03: das heißt die Jagd ist schwerpunktmäßig im Herbst und Frühwinter

00:15:08: und wir haben neben der Bejagung

00:15:12: - jetzt geht's da gerade ziemlich hoch - die dann auch im Randbereich also in der Managementzone stattfindet

00:15:17: auch Wintergatter als ein Instrument

00:15:21: und da gehen die Hirsche im Herbst rein

00:15:23: vor allem wenn der erste Schnee kommt

00:15:26: und werden da gefüttert und sind sozusagen in Winterlebensraum

00:15:29: Und werden so eben von ihrem natürlichen Abwandern aus dem Nationalpark gehindert.

00:15:35: Inwieweit solche Maßnahmen in Zukunft noch überhaupt nötig sind, wird sich noch zeigen.

00:15:40: Denn mit der Rückkehr des Wolfes in den Böhmerwald ist der natürliche Bestandsregulator seit einigen Jahren ja zurück.

00:15:49: Genau das ist die spannende Frage die wir gerade in einem Interreg-projekt

00:15:53: zusammen mit den Kollegen vom Nationalpark Sumava untersuchen

00:15:59: da setzen wir dann auch eben diese Methoden ein, zum einen die Fotofallen

00:16:04: um zu sehen wie viele Hirsche sind denn überhaupt im Gebiet und wir setzen noch eine andere Technologie ein.

00:16:11: Das ist die Telemetrie das heißt werden mit Halsbändern ausgestattet

00:16:15: und das sind wie kleine Navigationssysteme

00:16:18: das heißt, da ist ein GPS Empfänger drauf und der sagt uns wo sich das Tier aufhält

00:16:25: und auch was das Tier macht.

00:16:27: Also ihr könnt via GPS die Tiere direkt im Gelände orten?

00:16:32: wir wir können die orten mit Antenne, so wie man das aus dem Fernsehen kennt

00:16:36: aber heutzutage macht man das per App und auf der sehen wir

00:16:41: wo sich die Tiere gerade aufhalten und auch was sie machen

00:16:45: und auch verändert sich das Verhalten mit der Rückkehr des Wolfes?

00:16:49: Gut, wir haben jetzt das Projekt jetzt erst gestartet. In drei Jahren wissen wir mehr

00:16:53: und das heißt dann letztendlich vielleicht auch, dass wir uns auch Schritt für Schritt

00:16:59: aus dem Management der Beutetiere dann auch zurückziehen können.

00:17:03: Was für uns als Nationalpark und im Sinne des Naturschutzes natürlich das Beste wäre,

00:17:08: dass sich die Natur selbst reguliert und der Mensch nicht mehr eingreifen muss.

00:17:12: Noch wird aber gemanaged, auch hier im Reschbachtal, das wir inzwischen erreicht haben.

00:17:19: An der kleinen Brücke über den Steinbach trennen sich nun die Wege von Marco und mir.

00:17:23: Ich verlasse den herrlichen Rundweg Eisvogel und bieg links ab, in Richtung Oberes Reschbachtal.

00:17:35: Wo darf sich die Natur völlig frei entfalten und wo greift der Mensch ein?

00:17:39: Dieser Frage gehen wir nun auch im zweiten Teil dieser Wildnis G’schichtn-Folge nach.

00:17:43: Und kommen zu dem wohl berühmtesten Nationalparkthema überhaupt, den Borkenkäfer.

00:17:49: Lateinisch Ips typographus, oder auf Deutsch Buchdrucker, gilt dieser nur etwa Reiskorngroße Käfer als DER SCHRECKEN der kommerziellen Forstwirtschaft.

00:18:00: Weil er innerhalb kurzer Zeit ganze Fichtenwälder kahlfressen kann.

00:18:04: Und auch hier in der Managementzone im Nationalpark muss der Borkenkäfer bekämpft werden.

00:18:10: Ich bin jetzt unterwegs mit dem Leiter der Nationalpark Dienststelle Finsterau Helmut Kustermann.

00:18:16: Guten Morgen. Guten Morgen Julia.

00:18:19: Dein Hund dabei Lumpi, ein ganz ein Braver.

00:18:23: Ja wir gehen jetzt den Hauptwanderweg entlang, weil wir hier

00:18:26: nicht nur in deinem Gebiet unterwegs sind sondern wunderbar zeigen können

00:18:30: und sehen können was ihr denn bei eurer täglichen Arbeit hier so macht.

00:18:36: Hier deutest du gleich mal in den Wald Richtung Reschbachstraße runter,

00:18:40: da sieht man schon, da wart ihr vor kurzen mit die Motorsägen drin gell?

00:18:43: Genau das ist noch gar nicht lange her da ist ein kleines Käfernest auftaucht.

00:18:47: Das waren ungefähr 15 Bäume 15 bis 20 Bäume

00:18:51: die Waldarbeiter haben das mit Motorsägen gefällt

00:18:55: wir dürfen wir da in diese Reschbachau mit den Maschinen nicht reinfahren so haben wir das quasi

00:19:01: mit den Motorsägen rausgefällt auf den Hauptwanderweg

00:19:04: weil es auch unten auf die Reschbachstraße relativ schwierig ist das Holz zu bringen da war es angenehmer und besser

00:19:10: Ja und auch relativ gefährlich in Sachen Verkehr. Da fahren ja durchaus mal Autos oder Radfahrer

00:19:17: Radfahrer es sind Wanderer unterwegs es sind Leute mit Hunden unterwegs

00:19:19: es sind Kinder unterwegs mit Roller-Ski.

00:19:22: Die Reschbachstraße ist eben sehr wichtig für Erholungssuchende und was natürlich da Rolle spielt ist die,

00:19:28: wir sind ja da auf dem Hauptwanderweg, das heißt,

00:19:31: Verkehrssicherung bzw. wir müssen wir da mit zwei Leuten zusätzlich den Weg absperren

00:19:36: wenn wir da Borkenkäfermanagement betreiben, dass da nichts passiert.

00:19:40: Einen Wanderweg, wie den Hauptwanderweg auf dem wir unterwegs sind,

00:19:43: oder auch mal eine Forststraße zu sperren,

00:19:46: ist aber nur ein winziger Teil von Helmuts täglicher Arbeit.

00:19:49: Also die Dienstelle Finsterau hat 5300 Hektar circa

00:19:52: und davon sind 1330 Hektar Managementzone

00:19:57: das heißt da in der Managementzone wird Borkenkäfermanagement gemacht

00:20:01: und auf den anderen 4000 Hektaren spricht Naturzone

00:20:05: wird hauptsächlich Verkehrssicherung gemacht und geschaut,

00:20:08: dass die Infrastruktur in Ordnung ist dass die Wege, die Wanderwege die Radwege in Ordnung sind.

00:20:12: Wie gesagt auf diesen 1330 Hektar Managementzone arbeiten wir

00:20:17: was jetzt Borkenkäfermanagement betrifft werden die Bestände die Abteilungen die Wälder regelmäßig kontrolliert

00:20:23: das war dieses Jahr also im Jahr 2023 ab Anfang Mai. Wir hatten Anfang Mai zwei schöne warme Tage

00:20:30: da haben wir das Kontrollieren angefangen und in regelmäßigen Abständen werden also die Wälder auf Borkenkäfer durchgeschaut.

00:20:38: Wie findest du die eigentlich du musst ja eigentlich permanent in deine Wälder unterwegs sein und noch was hältst du dann genau Ausschau?

00:20:43: Wie erkennt man sowas? Ja also wir gehen da im Prinzip von Baum zu Baum

00:20:47: und versuchen das braune das frische Bohrmehl zu finden das am Stammfuß an den Wurzelanläufen

00:20:52: das fliegt von oben runter

00:20:54: und schaut aus wie Kaffeepulver sage ich mal

00:20:57: und wenn wir das gefunden haben dann ist es für unser ein Zeichen, dass der Borkenkäfer drin ist.

00:21:00: Dann kommt die Natura 2000 Umweltverträglichkeitsprüfung ins Spiel.

00:21:04: Da bin ich dann mit meiner Wärmebildkamera bzw. mit meinem Fernglas unterwegs. Was heißt das?

00:21:09: Ich schau dann mit dem Fernglas in die Kronen rein

00:21:11: ob da nicht irgendwelche Spechtlöcher sich befinden oder Spechthöhlen

00:21:16: und wenn man feststellt, dass da Spechthöhle drin ist in so Borkenkäferbaum in ein frischen

00:21:21: oder es ist es ist vielleicht sogar Gelege drin

00:21:25: dann dürfen wir den Baum nicht umschneiden.

00:21:27: Dreizehenspecht kommt immer wieder vor bei uns

00:21:30: der Schwarzspecht der Buntspecht natürlich auch

00:21:32: und das ist dann auch wichtig, dass man einfach die Tiere im Blick hat,

00:21:36: dass uns da nicht irgendwas passiert, dass er Baum umgeschnitten wird wo wo der Gelege drin ist von ein Specht.

00:21:41: Und drum ist die Natura 2000 Umweltvertäglichkeitsprüfung ein wichtiger Aspekt unserer Arbeit

00:21:48: Bevor also in der Management-Zone die Motorsäge an eine vom Borkenkäfer befallene Fichte angelegt wird,

00:21:53: müssen Helmut Kustermann und seine Forstrevier-Leiter-Kollegen erst sicherstellen,

00:21:58: dass darin keine bedrohten Tierarten leben. Und auch der Blick auf den Boden ist wichtig

00:22:05:

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