Von Parks, Urwäldern und Schwelln

Shownotes

Der Podcast WILDNIS G'SCHICHTN nimmt Sie mit, auf eine Reise quer durch Deutschlands ältesten Nationalpark. Bei Hörwanderungen geht es, begleitet von verschiedensten Protagonisten, einmal von West nach Ost durch den Nationalpark Bayerischer Wald.

In Folge 1 geht es etwa um die Frage, was einen Nationalpark von anderen Naturschutzgebieten unterscheidet. Naturpark-Ranger Johannes Matt führt durch die Naturpark-Erlebniswelten in Bayerisch Eisenstein und erklärt es den Zuhörern.

Im zweiten Teil geht es in Wanderschuhen und mit gepacktem Rucksack in den größten Waldnationalpark Deutschlands, bis zum nächsten Etappenziel: dem Schwellhäusl. Nationalpark-Ranger Michael Pscheidl erklärt, warum ausgerechnet dort eine weltweit wohl einmalige Sonnenuhr steht.

An Bayerns höchster Tanne vorbei, führt die Wanderung schließlich noch in einen echten Naturschatz hinein, in das Urwaldgebiet Mittelsteighütte. Einer dieser letzten echten Urwaldreste bei Zwieslerwaldhaus beheimatet zahlreiche seltene Tier-, Pflanzen- und Pilzarten. Manche kommen deutschlandweit tatsächlich nur noch hier vor…

Podcast: Nationalpark Bayerischer Wald Gitarre: Michael Reis

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00:00:00: Wildnis G‘schichn: Von Parks,  Urwäldern und Schwelln: 

00:00:06: Er ist das Naturjuwel im Dreiländereck  zwischen Bayern, Tschechien und Österreich:  

00:00:12: Der Nationalpark Bayerischer Wald. Der älteste  und größte Waldnationalpark Deutschlands. Seit  

00:00:20: über 50 Jahren darf sich hier eine Wildnis  entwickeln, die es sonst in Mitteleuropa kaum  

00:00:25: noch gibt. Und ich nehme euch mit, auf eine  spannende Reise quer durch dieses besondere  

00:00:31: Schutzgebiet. Von West nach Ost besuchen wir die  schönsten und interessantesten Ecken. Und treffen  

00:00:37: dabei Zeitzeugen, Forscher, Ranger und interessante Menschen die hier im  

00:00:42: und mit dem Bayerischen Wald leben. Der Start unserer Wildnis G‘schichtn  

00:00:47: ist – zugegeben – recht zivilisiert, mitten  im Grenzort Bayerisch Eisenstein. Hier steht  

00:00:54: der historische Grenzbahnhof, in dem  haben die Naturparkwelten ihre Heimat,  

00:01:00: ein Museum, das wirklich einmalig ist.  Johannes Matt wartet hier schon auf mich.  

00:01:04: Er ist Gebietsbetreuer für die Arber-Region  beim Naturpark Bayerischer Wald. Und auch  

00:01:11: wenn Johannes hier schon bestimmt tausende  Besucher durch die Ausstellung geführt hat,  

00:01:15: ist er dennoch immer wieder selbst noch  begeistert von diesem einmaligen Ort: 

00:01:19: „Genau, wir sind da in der historischen  Eingangshalle vom Grenzbahnhof  

00:01:23: in Bayerisch Eisenstein aus dem Jahr 1877.  Und es ist weltweit wahrscheinlich einmalig,  

00:01:29: dass durch ein Empfangsgebäude eines Bahnhofs  eine Staatsgrenze verläuft. Also hier mitten  

00:01:34: durch den Raum läuft die Grenze Deutschland -  Tschechien, oder damals, wie es gebaut worden ist,  

00:01:39: war es ja noch Königreich Bayern  und Kaiserreich Österreich/Ungarn. 

00:01:42: Also wenn wir jetzt einen Schritt machen,  dann stehen wir in Tschechien? Genau. 

00:01:47: Und das wird hier in der  Eingangshalle ja auch aufgegriffen. 

00:01:51: Genau, beispielsweise bei unserem Geländemodell,  das ist direkt auf der Grenze. Weil hier  

00:01:56: informieren wir einfach über die verschiedenen  Großschutzgebiete im Bayer-, Böhmerwald. Über  

00:02:01: die Nationalparke Bayerischer Wald und Šumava,  als auch uns als Naturpark Bayerischer Wald,  

00:02:06: als auch das Landschaftsschutzgebiet  Šumava auf der böhmischen Seite. 

00:02:09: Und die kommen eigentlich, können wir  uns da auf dem Modell anschauen. Direkt  

00:02:13: in Bayerisch Eisenstein grenzen die aneinander. Ja, Bayerisch Eisenstein war,  

00:02:19: historisch gesehen immer schon ein wichtiger Ort. Genau, mei die Geschichte ist ja schon lang, lang.  

00:02:25: Obwohl jetzt der innere Bayerische Wald relativ  spät besiedelt worden ist, war aber Bayerisch und  

00:02:30: Böhmisch Eisenstein schon so ein kleines Zentrum  einfach. Wo auch die Handelswege vorbeigegangen  

00:02:35: sind, wo es einen ganz engen kulturellen Austausch  gegeben hat, zwischen Bayern und Böhmen. Für die  

00:02:42: Leute hat es „ent“ und „drent“ gar nicht gegeben. Im Bayerisch-Böhmischen Grenzraum gibt es gleich  

00:02:46: drei große Schutzgebiete. Die Nationalparke  Šumava in Tschechien und Bayerischer Wald  

00:02:53: in Bayern und drum herum also den Naturpark für  den Johannes Matt als Gebietsbetreuer arbeitet. 

00:02:59: Die meisten Leute schmeißen das in einen Topf,  ein bisschen bekannter ist dann ja doch der  

00:03:03: Nationalpark und da werden wir halt gerne  verwechselt. Aber da sieht man’s eigentlich  

00:03:06: wunderbar auf den zwei Bildern: Nationalpark heißt  wirklich Naturschutz, Prozessschutz, Natur Natur  

00:03:11: sein lassen. Der Mensch greift nicht mehr ein.  Und bei uns, beim Naturpark geht es einfach um  

00:03:16: den Erhalt der traditionellen Kulturlandschaft,  dass man Strukturen, die der Mensch geschaffen  

00:03:20: hat auch erhält in seiner Vielfalt. Und  ja, auch Artenreichtum, um das geht es uns. 

00:03:25: Aber trotzdem gibt es ja auch gewisse Regeln,  die ihr als Naturpark dann auch vorgebt. 

00:03:31: Genau, wir haben natürlich auch Naturschutzgebiete  drin, da wo höchster Schutz ist, wo wir als  

00:03:35: Gebietsbetreuter oder Naturpark-Ranger unterwegs  sind, schwerpunktmäßig. Da gibt es genauso ein  

00:03:40: Wegegebot, wie im Kerngebiet vom Nationalpark.  Aber ansonsten machen wir schon auch viel  

00:03:44: in der Landschaftspflege, dass wir  viel mit den Landwirten kooperieren.  

00:03:47: Ja, Wiesen, die extrem feucht sind, dass die noch  gemäht werden oder extrem trocken sind, steile  

00:03:53: Lagen. Dass das einfach noch gemacht wird. Und so  können wirklich auch wertvolle Lebensräume, vor  

00:03:57: Allem im Offenland weiterhin pflegen und erhalten. Du bist jetzt ja Gebietsbetreuer für die  

00:04:03: Arber-Region. Was auch viele nicht  wissen: Der Arber gehört auch nicht  

00:04:06: zum Nationalpark. Man sieht es ja eigentlich  auch schon, wenn man sich den Arber anschaut,  

00:04:11: dass das nicht zum Nationalpark und einem Gebiet,  wo der Mensch nicht mehr eingreift, gehören kann. 

00:04:17: Genau, am Arber haben wir einfach das große  Skigebiet, das da ist. Wir haben touristische  

00:04:22: Einrichtungen, die da verstärk anzutreffen  sind. Aber es gibt auch wunderschöne Ecken,  

00:04:26: die sehr natürlich sind, in der Arber-Region,  wie den großen Arbersee als Naturschutzgebiet.  

00:04:31: Oder bei den höchsten Wasserfällen, dem Rissloch.  Da kann man auch super ursprüngliche Natur noch  

00:04:36: erleben. Vielleicht ist es auch deshalb, dass es  ein wenig verwechselt wird mit dem Nationalpark,  

00:04:39: weil dort haben wir auch viel Totholz drin  mittlerweile und schauen auch, dass wir dort  

00:04:43: mehr Arten einen Lebensrau schaffen. Was ist so deine geheime,  

00:04:48: deine eigene Lieblingsecke da in deinem Gebiet? Die verrate ich natürlich nicht. (lach) Aber es  

00:04:53: gibt wunderschöne Ecken, die auch keiner so kennt,  wie den Hochfall bei Bodenmais, den zweithöchsten  

00:05:00: Wasserfall eigentlich im Bayerischen Wald.  Dann gibt es auch noch einen Wasserfall, der  

00:05:05: heißt auch Hochfall Richtung Schareben, den kennt  erst recht keiner. Das sind schon so Highlights,  

00:05:10: die wunderschön sind, aber eigentlich  ein wenig geheim bleiben sollen. 

00:05:12: Keine Sorge Johannes, wir verraten deine  geheimen Lieblingsorte natürlich nicht. Psssst! 

00:05:18: Stattdessen starten wir unsere kleine Tour  durch die Naturparkwelten, wir haben schließlich  

00:05:24: einiges vor uns: Das Skimuseum zum Beispiel,  oder auch die größte Modelleisenbahnwelt in  

00:05:30: ganz Ostbayern und die Ausstellung über den  höchsten Berg im Bayerischen Wald, den Großen  

00:05:35: Arber. Besonders spannend finde ich aber die  Station über den Silberberg bei Bodenmais. Für  

00:05:42: den brennt das Herz von Johannes Matt besonders. Und zwar wegen den Fledermäusen. Wir haben dort  

00:05:46: eines der größten Winterquartiere Deutschlands,  wenn nicht sogar Mitteleuropas. Also wirklich bei  

00:05:52: den Mopsfledermäusen, bei der Art überwintern  in dem Bereich, wo wir das Monitoring machen,  

00:05:59: 800 bis 1.000 Fledermäuse. Und da gehen  wir nur einen Bruchteil von dem ganzen  

00:06:03: Stollensystem ab. Insgesamt werden dort  an die 10.000 Fledermäuse überwintern. 

00:06:09: Das ist ja eigentlich ein Glücksfall, dass in  diesem Silberberg ein Bergwerk ist, wo jetzt die  

00:06:12: Fledermäuse ein Quartier gefunden haben. Genau, das ist eigentlich die beste Nachnutzung,  

00:06:16: die man sich vorstellen kann. Mei – und nur  ein kleiner Teil, also 800 Meter ca. werden  

00:06:20: als Besucherbergwerk, als Schaubergwerk genutzt,  aber eben die restlichen über 20 Kilometern haben  

00:06:26: die Fledermäuse zur Verfügung. Welche Arten hast du dann dort  

00:06:28: drinnen schon gefunden, bei diesen Zählungen? Wir haben insgesamt 19 Arten mittlerweile in  

00:06:32: diesem Silberberg, die letzten Jahre ist noch  die kleine Hufeisennase dazugekommen, das ist  

00:06:36: schon ein Highlight. Aber von unserer größten, das  Mausohr, bis zu den kleinen Zwergfledermäusen ist  

00:06:42: eigentlich alles da fast. Wahnsinn. Und das schöne  

00:06:46: ist, man bekommt davon eigentlich gar nichts mit. Außer hier bei uns im Europäischen  

00:06:50: Fledermauszentrum, würd ich sagen:  gehen wir ein Stockwerk tiefer. 

00:06:55: Das ist schon was Spezielles hier in den  Naturparkwelten in Bayerisch Eisenstein:  

00:06:59: Das Untergeschoss ist nämlich komplett den kleinen  Nachtschwärmern gewidmet. Hier ist das Europäische  

00:07:05: Fledermauszentrum untergebracht. Ja, da geht’s von der Geschichte,  

00:07:08: über die Erforschung, also über die Biologie.  Da gibt es total viel zu entdecken. Wie  

00:07:12: gesagt, da gibt auch eine kleine Kinderlinie. Ja, vielleicht gehen wir ganz kurz noch auf  

00:07:16: die Besonderheiten der Fledermaus ein, weil  eigentlich, wenn man in der Nacht unterwegs ist,  

00:07:21: braucht man andere Sinnesorgane als das Auge,  dass man sich orientiert. Und die Fledermaus  

00:07:27: orientiert sich glaub ich mit Schall? Ja genau. Echolot und Ultraschall. Und  

00:07:31: die schreien da wirklich die ganze Nacht  durch und zum Glück in so hohen Frequenzen,  

00:07:36: dass wir es überwiegend nicht hören, weil  das wäre laut wie ein Presslufthammer. Da  

00:07:39: würde der Mensch die Fledermaus allein schon  wegen Lärmbelästigung ausgerottet haben… 

00:07:43: Nein, die müssen schreien, dass sie sich einfach  orientieren können, dass die Schallwelle die  

00:07:50: zurückgeworfen werden analysieren können.  Ist das jetzt Beute, ist das ein Hindernis,  

00:07:53: wo geht es wieder zurück ins Quartier? Und – Sie besitzen ein weiteres Talent:  

00:08:00: Sie hängen sich gerne Kopfüber an  steile Felswände. Wie geht das? 

00:08:04: Ja, die haben einen ganz speziellen  Klappmechanismus an den Hinterbeinen.  

00:08:08: Da brauchen die auch überhaupt keine Kraft.  Das klappt um und dann ist das für die die  

00:08:12: entspannteste Position. So wie wir einfach auf  der Couch liegen, hängen die einfach kopfüber  

00:08:16: von der Decke. Und zum Glück bekommen sie auch  keinen roten Kopf. Da haben sie ganz spezielle  

00:08:20: Klappen in den Venen, dass das nicht passiert. Erstaunliche kleine Tiere, über die man ganz viel  

00:08:26: erfährt, hier im Europäischen Fledermauszentrum. Nicht nur über die Einheimischen, wir haben auch  

00:08:30: europäische Arten oder auch weltweit. (lacht) Der schaut ja gut aus! 

00:08:34: Das ist eine spezielle mit  einem ganz besonderen Friseur,  

00:08:38: die Chopin Fledermaus aus Afrika. Mit einem riesigen Iro auf dem Kopf. 

00:08:42: Mei – und ja klar klären wir auch auf ob es  Vampirfledermäuse gibt, oder nicht. Und, naja, es  

00:08:48: gibt ja schon die zwei Arten in Mittel/Südamerika,  die blutleckend sind. Wenn sie irgendwo ein  

00:08:53: verletztes Tier finden, dann würden sie schon  dran saugen, aber bei uns in Europa alles im  

00:08:59: Reich der Märchen. Gott sei Dank! 

00:09:03: Trotz gewisser Unterschiede zwischen Naturpark  und Nationalpark gibt es doch auch viele  

00:09:10: Gemeinsamkeiten… Gemeinsam mit Johannes Matt geht  es für mich zurück ins Tageslicht. Aber bevor ich  

00:09:17: die Naturparkwelten in Bayerisch Eisenstein hinter  mir lasse noch ein Tipp: Immer am letzten Samstag  

00:09:22: im August ist europäische Fledermaus-Nacht, und  das ist in den Naturparkwelten ein besonderer Tag,  

00:09:29: mit vielen tollen Aktionen und nächtlichen  Ausflügen in die Welt der Fledermäuse.

00:09:38: Nach dieser tollen Einstimmung geht’s  jetzt aber hinein in den ältesten und  

00:09:48: größten Waldnationalpark Deutschlands, in den 1970  gegründeten Nationalpark Bayerischer Wald.Und wie  

00:09:56: es sich hier gehört natürlich zu Fuß! Der  Wanderrucksack, samt Brotzeit ist gepackt,  

00:10:01: die Wanderschuhe geschnürt, ein letzter  Blick auf die Wanderkarte und los geht’s in  

00:10:06: Richtung des heutigen Ziels: Zwieslerwaldhaus. Den Ort kann ich von Bayerisch Eisenstein aus  

00:10:13: gleich auf mehreren Wegen erreichen, ich  entscheide mich für den direktesten Weg.  

00:10:18: Über den Rundweg Bussard und die berühmte  Goldsteig-Nord-Route und den Bahnhofssteig. 

00:10:30: Nach dem historischen Eisenbahnmuseum  überquere ich die Bahngleise in Richtung  

00:10:34: Trauerwald. Erst einmal gemütlich  warm werden ist aber nicht,  

00:10:38: denn gleich auf den ersten Kilometern  geht’s zum höchsten Punkt der Tour,  

00:10:42: den Hochbergsattel mit fast 850 Metern. Tatsächlich muss ich ein paar Mal kurz  

00:10:48: verschnaufen, was ich aber gerne  nutze um den herrlichen Ausblick auf  

00:10:52: Bayerisch Eisenstein hinter und die langsam  wilder werdende Natur vor mir zu genießen. 

00:10:57: Erste Trinkpause an der Schutzhütte am  Hochbergsattel und dann geht’s links ab,  

00:11:02: auf den Wanderweg mit dem Grünen Dreieck.  Die gute Nachricht: von jetzt an geht es nur  

00:11:08: noch bergab Richtung Zwieslerwaldhaus und  entsprechend schnell komm ich auch voran. 

00:11:12: Schließlich wartet schon meine zweite Verabredung  heute: Nationalpark-Ranger Michael Pscheidl. Mit  

00:11:19: Ihm will ich zu einem der beliebtesten Ziele  hier, über den Schwellgraben zum Schwellhäusl. 

00:11:24: Michael, kannst es du überhaupt noch zählen,  wie oft du schon am Schwellhäusl warst? 

00:11:29: Oh mei, nein, das kann ich wirklich nicht mehr  zählen. Gerade im Sommer sind das schon so  

00:11:35: kleine Nachmittagsstreifen noch, weil halt viele  Leute unterwegs sind. Ist halt eine traumhafte  

00:11:40: und kühle Atmosphäre dann da herinnen. Wir sind jetzt am Schwellgraben unterwegs,  

00:11:44: Richtung Schwellhäusl. Was hat es mit  diesem „Schwell“ eigentlich auf sich? 

00:11:44: Also die „Schwelle“ oder die „Schwai“ am  Schwellhäusl ist ein ehemaliger Triftsee,  

00:11:45: ein Triftteich, der eben angestaut  worden ist, dass man das Holz dann  

00:11:59: in den Großen Regen raus schwemmen hat können. Und der ganze Komplex, eben auch mit dem kleinen  

00:12:08: Zulauf am Schwellgraben, ist eben gebaut  worden, dass man die Schwelle am Schwellhäusl  

00:12:14: zweimal am Tag öffnen hat können, dass man  zweimal am Tag Holz triften hat können. 

00:12:17: Die Holztrift, also der Transport der Stämme zu  Wasser, war vom 18. Jahrhundert bis in die 1960er  

00:12:26: Jahre die beinahe einzige Möglichkeit das Holz  aus dem Bayerischen Wald hinaus zu transportieren. 

00:12:31: Eine Bahnstrecke, LKWs oder auch entsprechende  Straßen hat es damals oft noch nicht  

00:12:37: gegeben. Vor allem im Frühjahr, während der  Schneeschmelze hatte die Trift Hochkonjunktur,  

00:12:43: denn dann gab es genug Wasser um die  großen Stämme quasi hinaus zu Schwemmen. 

00:12:48: Das Wasser hat man halt auch gebraucht, dass  das Holz vom inneren Bayerischen Wald dann  

00:12:55: bis Viechtach oder weiter raus bis Regensburg  oder im unteren Wald bis Passau schwimmen hat  

00:13:01: können. Wie das Ganze entstanden ist, also so ende  vom 18. Jahrhundert hat es halt auch noch keine  

00:13:08: LKWs gegeben. Später ist einmal so eine Holzbahn  angelegt worden, mit der man‘s dann mit dem Zug  

00:13:15: rausgefahren hat, aber das ist dann schon in den  1960er Jahren gewesen. Der ganze Triftkomplex  

00:13:22: oder Triftsystem ist wirklich aus einer Zeit, wo  es noch keine Maschinen und Geräte gegeben hat. 

00:13:28: Und es war ja eine ganz schön harte  Arbeit dann. Auch die Holzhauer an  

00:13:33: sich haben einen ganz schön krassen Job gehabt. Ja, das war damals nicht nur eine harte Arbeit,  

00:13:38: das war auch eine gefährliche Arbeit. Das  Holzhauen an sich im Sommer, der Einschlag,  

00:13:43: der war von der Gefahr her nicht so  hoch, wie im Winter der Schlittenzug,  

00:13:48: dass man das Holz von den Bergen runterbringt  oder dann auch die Trift. Da sind wesentlich  

00:13:52: mehr Leute schwer verletzt worden und ums  Leben gekommen, als beim Holzeinschlag selber. 

00:13:57: So hart war das Leben und Arbeiten früher  im Bayerischen Wald… kann man sich, wenn  

00:14:03: man das Wasser im Schwellgraben so leise dahin  plätschern hört, heute kaum noch vorstellen…. 

00:14:09: Es sind für Michael und mich insgesamt nur  wenige Kilometer über den Schwellsteig,  

00:14:17: bevor der Wald plötzlich den Blick auf das  nächste Ziel freigibt: Das Schwellhäusl. An  

00:14:23: der malerischen Schmalzbach-Schwelle ist  die ehemalige Unterkunft der Trift-Leute  

00:14:28: heute eine urige Einkehrmöglichkeit und eines der  beliebtesten Ausflugsziele in der gesamten Region! 

00:14:34: Zweimal im Jahr, im Frühjahr und im Herbst,  kommen besonders viele Besucher hier her,  

00:14:40: und das liegt nicht an der ausgesprochen  guten Brotzeit von Wirt Ludwig Lettenmeier,  

00:14:45: sondern hat mit der so wahrscheinlich  weltweit einzigartigen Sonnenuhr zu tun. 

00:14:51: Warum seht hier hinten eine Sonnenuhr? Ja der Findling, sag ich jetzt einmal,  

00:14:56: wo die Sonnenuhr drauf ist, ist bei  Bauarbeiten für den neuen Bierkeller zum  

00:15:01: Vorschein gekommen und ist dann ein Zeiterl  rumgelegen. Bis der Lettenmeier Ludwig,  

00:15:05: der Wirt vom Schwellhäusl auf die Idee gekommen  ist, ja man könnte da irgendwie eine Sonnenuhr  

00:15:11: draus machen. Letztendlich hat’s dann der Dr.  Paul Kestl aus Zwieslerwaldhaus in Zusammenarbeit  

00:15:18: mit dem Schwarz Manfred Senior und noch ein  paar anderen aufgestellt. Und der Dr. Paul  

00:15:24: Kestl hat dann ewig lange rumgetüftelt, bis die  Sonnenuhr nach dem Polarstern ausgerichtet war  

00:15:30: und hat unten den ganzen Aufbau ausgerechnet und  ja, so ist das jetzt ein Unikat und glaub ich gibt  

00:15:39: es kein zweites Mal, gibt’s nur am Schwellhäusl. Ja und ist mittlerweile auch ein absoluter  

00:15:43: Besuchermagnet, vor Allem zu zwei  besonderen Zeitpunkten im Jahr. 

00:15:48: Das seltene Schauspiel findet zur Tag-  und Nachtgleiche statt. Das ist einmal der  

00:15:55: 21. März und der 23. September, um die  Mittagszeit. Dann steht die Sonne genau so,  

00:16:02: dass die Sonnenstrahlen durch den Felsen  durch eine Glaskugel zum Leuchten bringen. 

00:16:08: Gibt’s nur im Bayerischen Wald und nur am  Schwellhäusl. (lacht) Aber da stehen ja oft  

00:16:14: wirklich hunderte Leute hier um das zu sehen. Da sind wirklich ein paar hundert Leute dabei.  

00:16:18: Das Zeitfenster in dem die Glaskugel  dann leuchtet ist wirklich ganz,  

00:16:23: ganz kurz. Das sind gerade ein paar Sekunden  und kriegt auch nicht jeder dann zu Gesicht. 

00:16:27: Deshalb lohnt es sich vielleicht  auch mehr als einmal dabei zu sein,  

00:16:31: zur Sonnenwende am Schwellhäusl. Ein lieber  Ranger-Kollege von Michael macht übrigens  

00:16:36: immer ne interessante Führung, bei der  noch mehr zur Sonnenuhr zu erfahren ist. 

00:16:41: Nationalpark-Ranger Michael Pscheidl und ich  lassen das Schwellhäusl jetzt langsam hinter uns,  

00:16:46: schließlich bietet unser Rückweg noch ein weiteres  Highlight: Das Urwaldgebiet Hans-Watzlik-Hain.  

00:16:53: Also den Hans-Watzlik-Hain macht imposant, dass  da eine der höchsten Tannen Bayerns steht und,  

00:17:00: dass die Dimension der Bäume doch ein bisschen  größer ist, wie in der Mittelsteighütte. 

00:17:07: Also da steht dann auch die berühmte  Tanne mit den Bohlen außen rum, wo auch  

00:17:19: immer wieder Leute versuchen sie zu  umfassen. Wie viele braucht es da inzwischen? 

00:17:20: Das ist die Waldhaus Tanne und so um die  vier Erwachsenen und vielleicht sechs,  

00:17:26: sieben Kinder, dann kannst du sie schön umarmen. Michael Pscheidl und ich alleine können die  

00:17:32: berühmte Waldhaus-Tanne also auf keinen Fall  umfassen. Zu massiv ist der Stamm dieser  

00:17:39: hunderte Jahre alten Tanne, hier im Watzlik-Hain. Das ist schon wirklich etwas besonders hier in  

00:17:46: Zwieslerwaldhaus. Neben dem Watzlik-Hain gibt es  noch ein zweites echtes und uraltes Urwald-Gebiet:  

00:17:54: Die Mittelsteighütte. Und da will ich als  nächstes hin. Zurück über die Große Deffernik  

00:18:01: und den Parkplatz Brechhäusl erreiche ich  schon nach wenigen Metern den Rundweg mit  

00:18:07: der Markierung Ameise. Dieser verläuft auf  gut drei Kilometern rund um Zwieslerwaldhaus  

00:18:12: und direkt durch die Mittelsteighütte. Hier bin ich mit Claus Bässler von der Uni  

00:18:18: Frankfurt verabredet. Er ist Mykologe und forscht  hier im Nationalpark schon viele Jahre zu den  

00:18:24: unzähligen und teilweise sehr seltenen Pilzarten.  Eine davon kommt leider nur noch im Urwaldgebiet  

00:18:33: Mittelsteighütte vor: Der Duftende Feuerschwamm.  Claus Bässler kenn hier wirklich jeden Stamm,  

00:18:39: an dem dieser extrem seltene Baumpilz vorkommt. Ah ja, da ist er sogar schon fast abgestorben…  

00:18:54: siehst du? Und riechen tut er auch nicht mehr,  nee… also fast nicht mehr. Also der gibt dann halt  

00:18:56: irgendwann den Fruchtkörper auf. Das löst sich ab. Und das war jetzt der Duftende Feuerschwamm? 

00:19:04: Das war wirklich mal ein schöner, großer  Fruchtkörper. Und jetzt ist er aber über  

00:19:10: die Zeit abgestorben, wird aber bestimmt an  einer anderen Stelle wieder Fruchtkörper bilden. 

00:19:13: Und das ist eine der Besonderheiten  der Mittelsteighütte, oder? 

00:19:16: Ja, dieser Duftende Feuerschwamm den haben wir in  Deutschland wirklich nur in der Mittelsteighütte. 

00:19:20: Gibt’s weltweit auch nur an ein paar Fundpunkten,  ist immer verbunden mit uralten Wäldern, wo in  

00:19:27: der Regel oder fast noch keine Säge drin war. Ja und auf den sind wir schon stolz und um den  

00:19:32: müssen wir uns auch kümmern. Weil der Duftende Feuerschwamm  

00:19:35: es bislang noch nicht geschafft hat dieses  Altwald-Relikt Mittelsteighütte zu verlassen  

00:19:39: und den Nationalpark wieder richtig breit zu  besiedeln, wie wir das von anderen Arten kennen. 

00:19:45: Er braucht halt uralte Tannen und  Tannen-Totholz und das haben wir halt  

00:19:50: hier in der Mittelsteighütte noch. Und der ist ganz klassisch  

00:19:53: erkennbar an seinem Duft, deswegen heißt er ja so. Ja genau, genau. Nach was riecht er? 

00:19:58: Der riecht so Fliederartig und  den Stoff den der Duft ausmacht,  

00:20:08: den kenn man eben auch aus dem Pflanzenreich  und ich glaub sogar vom Flieder: Ethylethanol. 

00:20:13: Und die Frage ist ja immer: Warum duftet der?  Und da gibt es zwei mögliche Hypothesen dafür:  

00:20:19: Dass der Duft Insekten anzieht, die die Sporen  verteilen. Man weiß aber auch, dass dieser Stoff  

00:20:28: antibakteriell wirkt, also es kann durchaus sein,  dass der Duft nur ein Nebenprodukt ist, aber  

00:20:34: dass die antibakterielle Wirkung wichtiger  ist und den Pilz vor Pathogenen schützt. 

00:20:40: Und trotz dieses Schutzes hat es den  Duftenden Feuerschwamm hier dahingerafft? 

00:20:46: Ja, nein es ist so, dass Fruchtkörper  absterben können und neue gebildet werden,  

00:20:53: das gehört zur Dynamik dieses  Pilzes dazu. Das heißt ja nicht,  

00:20:57: dass er im Substrat innerhalb absterben muss. Also Grundsätzlich ist der Pilz ja mit seinen  

00:21:02: Hyphen, also mit seinen Pilzfäden, im Totholz  und bildet dann von Zeit zu Zeit Fruchtkörper.  

00:21:10: Das ist wie die Blüte bei der Pflanze. Und viele Pilzarten bilden einjährige  

00:21:15: Fruchtkörper, das kennt man vom Steinpilz  oder Ähnliches, die kommen eine kurze Zeit. 

00:21:20: Aber insbesondere am Holz lebende  Pilze die viele Fruchtkörper bilden,  

00:21:25: die mehrjährig sind. Unser Rotrand-Porling gehört  dazu und der Duftende Feuerschwamm eben auch, der  

00:21:30: durchaus hier zwei, drei Jahre alt werden kann. Auch vom Rotrand-Porling kenn man’s. Der kann  

00:21:35: sogar zehn, fünfzehn Jahre am Substrat bleiben,  sich als Fruchtkörper weiterentwickeln,  

00:21:40: immer größer werden. Das hängt aber natürlich  an der Ressourcenverfügbarkeit, also sprich,  

00:21:43: auch an Totholz und seinem Charakter. Und man weiß auch, dass man dieses dicke  

00:21:49: Totholz zum Schutz dieser Pilzarten benötigt. Und davon gibt es in der 38 Hektar großen  

00:21:55: Mittelsteighütte noch relativ viel. Heute kann  es als wahrer Glücksfall bezeichnet werden,  

00:22:00: dass das Waldstück schon ab dem 18. Jahrhundert  kaum noch genutzt wurde und dann vor über 100  

00:22:06: Jahren komplett unter Schutz gestellt wurde. Es ist schon unfassbar, wenn man sich hier  

00:22:10: einfach mal umschaut, es liegt unglaublich  viel Totholz rum, es stehen hier noch dicke  

00:22:15: Fichten, dicke Tannen, große, riesige Buchen. Was uns ja so fasziniert auch als Ökologen ist,  

00:22:22: das was du beschrieben hast, dass da dies alten  Bäume stehen und viel Totholz liegt. Wir verbinden  

00:22:29: das mit dem Begriff: Habitat-Tradition. Also  hier haben die Bäume und die alten Bäume die  

00:22:35: hier noch stehen Anschluss an die Urwaldzeit. Schau, da laufen gerade Eichkätzchen… Oh ja! Da  

00:22:40: sind grade zwei Eichkätzchen. Da sind sie, kuck. Ah, schön und dann heißt es immer, im  

00:22:43: Nationalpark sieht man keine Tiere. (lacht) Ja, ja. Man muss eigentlich  

00:22:49: bloß einmal stehen bleiben. Genau. Also, das ist das was wir unter Habitat-Tradition  

00:22:54: bezeichnen, dass diese Bäume hier noch  Anschluss na die Urwaldzeit hatten. Weil,  

00:22:59: letztendlich ja – der Bayerwald wurde ja relativ  spät besiedelt und im Flachland wurden die Wälder  

00:23:07: extrem intensiv genutzt und auch hier später  im 20. Jahrhundert wurden die Wälder intensiv  

00:23:13: genutzt – und so, kann man sich vorstellen,  muss mal die Landschaft hier ausgesehen haben  

00:23:18: und das ist schon sehr, sehr beeindruckend. Wenn man das mit den „Fichten-Steckerl-Wäldern“  

00:23:22: vergleicht, die wir sonst auf der  Landschaftsebene haben, das ist schon fantastisch. 

00:23:25: Warum ausgerechnet hier in Zwieslerwaldhaus? Hat  ja mit der Grenze zu tun, glaub ich, gell? Ja,  

00:23:30: also das ist schon immer erstaunlich. Auch  wenn man den Studierenden diese Frage stellt:  

00:23:34: Wie konnte denn ein so schöner Wald in der  Nähe von einer Ortschaft eigentlich überleben,  

00:23:41: wo man das Holz doch eigentlich  super abtransportieren hätte können. 

00:23:44: Weil es ist wirklich so, ich kenn viele Wälder in  Europa, die auch noch Altwald-Charakter haben. Die  

00:23:51: liegen immer in den entlegensten Gebieten und  man muss immer irgendwie versuchen dort ewig  

00:23:56: hinzulaufen. Und hier kann man reinfahren. Wir  sagen auch „Drive-In“-Reservat oder Altwaldrelikt. 

00:24:01: Genau, 1761, wenn ich richtig informiert bin,  wurde dieses Gebiet als Bannwald ausgewiesen,  

00:24:09: als Schutz, wenns denn sein sollte,  dass der Feind vom Osten eindringt. 

00:24:14: Und ich glaube bis 1850 circa war das dann  auch Bannwald und war quasi unter Schutz  

00:24:20: gestanden und das schöne war dann, dass man  1914 den Wald wieder unter Schutz genommen hat,  

00:24:27: als sogenannten Schonbezirk und 1939 wurde es dann  offiziell Naturschutzgebiet und dann später mit  

00:24:34: der Erweiterung dem Nationalpark zugeschlagen. Das ist ein ganz fantastisches Beispiel und das  

00:24:39: ist auch eine ganz eine schöne Sache, dass  wir dieses Altwaldrelikt hier im Park haben. 

00:24:44: Natürlich auch für euch als Forscher  dann ein wahres Juwel, weil du ein so  

00:24:50: ursprüngliches Gebiet so einfach ja auch  nicht findest, zumindest nicht in Bayern. 

00:24:55: Ja, die Mittelsteighütte ist für uns eine sehr,  sehr wichtige Referenz. Jetzt stell dir vor,  

00:25:00: wir hätten so einen Wald nicht mehr  und keine Aufzeichnungen, wie denn  

00:25:06: die Artenausstattung hier ursprünglich mal war. Dann würden wir uns natürlich auch schwer tun  

00:25:10: Ziele für den Nationalpark zu definieren,  was wir an Arten wieder ansiedeln wollen  

00:25:16: oder wie wir uns vorstellen, wie der  Park artenmäßig strukturiert sein muss. 

00:25:21: Und wir sehen ja, dass wir auch trotz  dieser Mittelsteighütte schon Arten  

00:25:26: verloren haben. Deswegen sind wir froh, dass  wir solche Juwele auch noch beispielsweise  

00:25:31: auf tschechischer Seite haben, wie den Boubín.  Und das Ganze gibt uns tolle Hinweise darauf,  

00:25:36: was ursprünglich an Artenausstattung da  war und wo wir auch wieder hinwollen. Das  

00:25:42: ist ja ein wichtiges Ziel des Nationalparks,  die typische Biodiversität dieses Gebietes  

00:25:47: zu erhalten oder wiederherzustellen. Wir haben mit dem Luchs angefangen,  

00:25:51: das Beispiel ist prominent. Aber wir haben  natürlich Berge von anderen naturschutzfachlich  

00:25:57: relevanten Arten, für die wir Verantwortung  haben, dazu gehören die Käfer und die Pilze. 

00:26:01: Für letztere schlägt das Herz von Mykologe Claus  Bässler natürlich besonders. Aber – er weiß auch:  

00:26:08: Ohne dynamische und natürliche Wälder geht’s  nicht und dafür setzt er sich besonders ein. 

00:26:15: Ja es scheint immer wichtiger zu werden,  dass ein Baum eben alt werden kann und  

00:26:22: auch eine lange Phase des Sterbens braucht.  Da sind Artengemeinschaften dran angepasst. 

00:26:27: Ich mein, wenn so ein Baum zwei-,  dreihundert Jahre lang wächst und dann  

00:26:32: stirbt der möglicherweise über hundert Jahre, es  dauert ja lang bis sich Pilze angesiedelt haben,  

00:26:38: da lebt der Baum ja immer noch in dieser  Phase, und das schafft ganz besondere Nischen. 

00:26:43: Und dann stirbt der Baum über hundert Jahre  und dann fällt er um und dann, wenns eine große  

00:26:47: Dimension ist, dauerts nochmal vierzig, fünfzig  Jahre bis der zersetzt ist, also wir überbrücken  

00:26:52: da viele hundert Jahre an „Lifesycle“ und da  sind halt Arten dran angepasst. Das kann man  

00:26:58: im Wirtschaftswald nicht so einfach simulieren. Ein ganz ein tolles Beispiel ist, wenn man nach  

00:27:03: Finnland geht oder nach Skandinavien. Dort  gibt es Kiefern, die sehr, sehr alt werden.  

00:27:08: Die ganz enge Jahrringe haben, die über acht-,  neunhundert Jahre wachsen und dann über zwei-,  

00:27:15: dreihundert Jahre sterben und wenn die dann auch  mal umgefallen sind, dauerts nochmal über hundert  

00:27:20: Jahre, bis die sich zersetzt haben. Und ganz  am Ende kommen irgendwelche Arten, wo man sagt:  

00:27:24: Ja, wo kommen die jetzt eigentlich her? Ja, weil die vielleicht genau diese Zeiträume  

00:27:28: brauchen, die Abfolge von Artengemeinschaften  und die Nischen, die dabei entstehen. 

00:27:32: Man muss sich mal überlegen, das  integriert dann mehr als tausend Jahre,  

00:27:36: das müssen wir berücksichtigen, wenn wir  Totholz planen, wenn wir Waldnaturschutz planen. 

00:27:42: Das ist natürlich ein klares Plädoyer,  überall wo alte Bäume stehen,  

00:27:46: das gilt nicht nur für die Mittelsteighütte oder  andere Altwaldrelikte, die müssen wir erhalten,  

00:27:51: genau aufgrund dieser Tatsachen. Das können wir nicht alles simulieren.  

00:27:55: Wir arbeiten da zwar dran, aber das ist nicht  notwendigerweise komplett Erfolgsversprechend. 

00:28:02: Die Überlegung wär vielleicht auch so,  plakativ formuliert, Altenheimbezirke  

00:28:08: für Bäume einzurichten. Vielleicht auch  in Wirtschaftswälder einfach Ecken stehen  

00:28:14: zu lassen, wo man sagt, ok, die Bäume hier  dürfen jetzt in Würde altern und sterben. 

00:28:19: Wenn wir sagen, ältere Menschen  sind vulnerabel und schutzbedürftig,  

00:28:23: dann gilt das eins zu eins auch für den  Wald und die daran angepassten Arten. 

00:28:28: Umso wichtiger ist es, solche Gebiete wie  die Mittelsteighütte zu erhalten, damit so  

00:28:34: seltene Arten, wie der Duftende Feuerschwamm vom  Aussterben bewahrt werden und damit Forscher, wie  

00:28:39: Claus Bässler die Zusammenhänge im sehr komplexen  Ökosystem WALD weiter untersuchen können. Ich bin  

00:28:46: gespannt, was Claus und seine Kollegen hier im  Nationalpark künftig noch herausfinden werden. 

00:28:50: Damit endet nun die erste Folge der Wildnis  G’schichtn. Und ich verrat euch jetzt schon,  

00:29:00: wo ich das nächste Mal wandern gehe. Es geht von Zwieslerwaldhaus Richtung  

00:29:06: Nationalparkzentrum Falkenstein. Wen ich da  treffe? Seid gespannt. Bis zum nächsten Mal!

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